Friedrich der Große. 61
blieb in seinen Sitten ein Barbar, roh und tierisch in seinen Begierden,
dem Branntweintrinken ergeben, wütend im Zorn und grausam im
Strafen.
Bei einem Besuche (1717) sah er in Berlin einen Galgen; als er den Zweck
desselben erfahren, bat er den König, ihm auf der Stelle die Belustigung einer
Hinrichtung zu verschaffen. Friedrich Wilhelm bedauerte, zur Zeit keinen Verbrecher
zu haben. „Wozu die lange Auswahl," meinte Peter, „hier steht ja Pöbel genug!"
Da der König erklärte, diese Strafe sei nur für Oerurteilte Verbrecher, ergriff der
Zar einen russischen Stallknecht und wollte ihn durchaus hängen lassen. Nur mit
Mühe gelang es dem Könige, ihn davon abzubringen. — Der Zar und sein Gefolge
durften wegen ihrer großen UnsauBerfeit nicht im königlichen Schlosse zu Berlin unter-
gebracht werden, sondern wohnten in einem Gartenschlosse zu Potsdam.
Die mit den Neuerungen Peters unzufriedenen Russen setzten ihre
Hoffnung auf den Sohn desselben und wußten diesen zu einem Aufstande
zu reizen; dafür starb er im Gefängnisse. Der Gedanke aber beküm-
merte den Kaiser, daß nach seinem Tode alle seine Neuerungen wieder
abgeschafft werden würden. Durch seine unregelmäßige Lebensweise hatte
Peter I. seine Gesundheit untergraben; bei der Strandung eines Schiffes
sprang er ins Wasser, um die Verunglückten zu retten, dadurch zog er
sich eine heftige Erkältung zu und starb. (1725.) Schon seit dem 1725
glücklichen Kriege gegen Karl XII. hatte man ihm den Beinamen des
Großen beigelegt. —
YI. Jriedrich der Große. 1740—1786.
1. Augend Jsriedrichs II.
a. Erziehung und Unterricht Friedrichs. Friedrich II. wurde
am 24. Januar 1712 auf dem Schlosse zu Berlin geboren. Sein
Vater, dem die beiden ältesten Söhne durch den Tod entrissen waren,
drückte den neuen Kronprinzen so heftig an sich, daß die Kammerfrauen
ihm denselben entreißen mußten. Die erste Erziehung des Prinzen lag
in den Händen seiner gebildeten und milden Mutter Sophie Dorothea.
Als besondere Erzieherin nahm der König die Frau von Roconlles
an, die auch ihn einst vortrefflich erzogen hatte. Friedrich gewann im
Umgang mit seiner Erzieherin dauernde Vorliebe für französische Sprache
und französisches Wesen. Große Liebe faßte er zu seiner, einige Jahre
älteren Schwester Wilhelmine, der er stets mit brüderlicher Zärt¬
lichkeit zugethan blieb; als sie ihn aber einst aufforderte, seine Trommel
stehen zu lassen und mit Blumen zu spielen, antwortete er: „Gut
Trommeln ist mir besser als Spielen und lieber als Blumen." Dem
Könige machte es Freude, sich an den Spielen seines Söhnchens zu
beteiligen, und als einst ein General die beiden beim Ballspiel traf,
sprach der König: „Er ist selbst Vater und weiß, daß Väter mit ihren
Kindern auch zuweilen Kinder sein, mit ihnen spielen und ihnen die Zeit
vertreiben müssen!"