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Prokop. Er ließ die Kinder mit Kirschen bewirten, und die Hussiten zogen
wieder ab, ohne der Stadt das geringste Leid zuzufügen. Zum Andenken daran
wird in Naumburg noch alle Jahre das Kirschenfest gefeiert.
Bei Naumburg wird die Saale schiffbar. Sie kommt nun
an dem stattlichen Schlosse Goseck vorbei und erreicht dann
Wei^enfels. Die Stadt hat 24000 Einwohner uud besitzt mehrere
Fabriken. Am meisten aber ist sie wegen ihrer Schuhwaren bekannt.
Das auf einem Sandsteinfelsen erbaute umfangreiche Schloß war früher
die Residenz der Herzöge von Sachsen-Weißensels. Jetzt befindet sich darin eine
Unteroffizierschule.
Die Saale erreicht nun Merseburg (19 000 Einwohner), die
Hauptstadt des gleichnamigen Regierungs-Bezirks. In der schönen,
mit 4 Türmen versehenen Domkirche Merseburgs befindet sich das
Grabmal Rudolfs von Schwaben, der sich von den Gegnern
König Heinrichs IV. zum König wählen ließ, von Heinrich aber
1080 geschlagen wurde und schon am Tage darauf an den im Kampfe
erhaltenen Wunden in Merseburg starb. Auch die rechte Hand war
ihm im Kamps abgeschlagen worden. Da soll er gesagt haben: „Das ist die
Hand, mit der ich meinem Könige Treue geschworen habe." Diese Hand wird
ebenfalls noch im Dome von Merseburg aufbewahrt. — Ein anderes
wichtiges Gebäude in Merseburg ist das Schloß. Hier wohnten
die alten Grafen und später die Bischöfe von Merseburg.
Einer der letzteren war Thilo von Trotha. Der besaß, so erzählt
die Sage, einen kostbaren Ring, welchen er während des Waschens in das
offene Fenster seines Schlafgemachs zu legen pflegte. Eines Tages vermißte
er nach dem Waschen den Ring. Nur seilt Kammerdiener war außer ihm
im Zimmer gewesen. Zwar hatte der Bischof die Treue desselben schon oft¬
mals erprobt; schlechte Menschen aber, die den treuen Diener um die Gunst
seines Herrn beneideten, suchten ihn zu verdächtigen. Das gelang ihnen nur
zu gut. Er wurde, trotzdem er heilig beteuerte, den Ring nicht gestohlen zu
haben, ins Gefängnis geworfen, vernrteilt und hingerichtet. Bald darauf
wurde der Ring in dem Neste eines Raben gefunden. Der war der Dieb
gewesen. Zu spät erkannte nun der Bischof die Unschuld seines Dieners.
Tiefe Schwermut bemächtigte sich seiner, und er wurde nicht wieder sroh, so
lange er lebte. Noch jetzt wird zum Andenken an diese Begebenheit im
Schloßhofe ein lebender Rabe gehalten.
Jetzt wird das Schloß als Regiernngsgebäude benutzt. —
In Merseburg bestehen Pappfabriken, Leimsiedereien, Webereien
und Färbereien. Bekannt ist auch das Merseburger Bier.
Durch dep westfälischen Frieden (1648) kam die frühere Grafschaft
Merseburg an das Kurfürstentum Sachsen, wurde später von diesem wieder
abgezweigt und bildete dann das Herzogtum Sachsen-Merseburg. 1738 fiel
dasselbe wieder an Kursachsen zurück. Seit 1815 gehört es zu Preußen.
Zwischen Naumburg und Merseburg, liuks von der Saale,
liegt das Dorf Roßbach. Dort schlug Friedrich der Große
mit seinem Reitergeneräl Seydlitz das dreimal größere Heer der
Franzosen und der mit diesen vereinigten Reichstrnppen in eine
schmachvolle Flucht (5. November 1757).