Full text: Erdkundliches Lesebuch für höhere Schulen

43. Die deutsche Nordseeküste. 
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Ziegeln brennen, und so finden wir die Landstraßen in den Marschen großenteils 
mit Ziegelsteinen — sogenannten Klinkern — bepflastert. Und wenn wir uns 
nun schließlich zu den Hügeln wenden, von denen Allmers spricht, so ist es auch 
da verständlich, daß das Marschenland seiner ganzen Entstehung nach eine ebene 
Fläche darstellt, die kaum über den Meeresspiegel emporragt, und wenn die Sturm- 
sluteu des Meeres oder die Frühlingshochwasser der Flüsse die Marschen über- 
fluten, würden die menschlichen Siedelungen darin verloren sein. Schon früh- 
zeitig hat man sich dagegen geschützt, lange ehe man das Meer durch Deiche fern- 
hielt. Man begnügte sich zunächst damit, statt des gesamten Landes nur die Woh- 
nungen den Fluten zu entziehen, und legte sie auf künstlich aufgeworfene Er- 
höhungen, sogenannte Würfen oder Warfen, auch Wurten oder Worthen genannt. 
Diese Warfen oder Wurten sind die Hügel, von denen Allmers spricht, und sie sind 
eine sehr bezeichnende Erscheinung in dem Marschenlande. Jedes alte Dorf ist 
auf einer Wurt erbaut, und jede Wurt hat einmal menschliches Eigentum den Wellen 
entzogen. 
Wir haben hier zunächst nur von der Marschenlandschaft gesprochen, wie 
sie hinter dem schützenden Kranze der Nehrungen sich herausgebildet haben muß, 
ehe die Meeresfluten jene Nehrungslinie in die heutige Kette der Inseln auf- 
löste. Wir haben eben bereits gesehen, daß zwei Momente die nachträgliche Zer- 
störung der doch von diesem selben Meere gebildeten Nehrungen veranlaßt haben. 
Einerseits müssen wir mit derselben Senkung des Landes, die wir im Ostseegebiet 
fanden, auch hier in der Nordsee rechnen, anderseits war es die Öffnung des Ärmel- 
kanals zu einer weiten Straße, durch die die Flutwelle eindringen konnte, die die 
heutigen Gezeitenverhältnisse schuf. Wie fehr gerade diese letzteren in Betracht 
kommen, hatte uns ein Vergleich mit der dänischen Nordseeküste gelehrt. 
Unter den so veränderten Verhältnissen war die alte Küstenlinie nicht mehr 
imstande, dem Andringen der Wogen den alten Widerstand entgegenzusetzen; 
bei einer schweren Sturmflut durchbrachen die Wellen die Nehrung und schlugen 
in die dahinter gelegenen Haffe hinein, und wenn nun beim Zurückfluten das 
ganze gegen das Land geworfene Wasser abströmen mußte, so waren gerade solche 
neugeschaffenen Durchbrüche ein willkommener Ausweg und mußten durch den 
reißenden Strom, der sich durch sie zwängte, noch mehr ausgetieft werden. So 
begreifen wir, daß schließlich ein Znstand eintreten mußte, wie wir ihn heute finden. 
Nähern wir uns bei Flut der schleswigschen Westküste, so dehnt sich vor uns das 
Wattenmeer als eine weite Wasserfläche, aus der die Halligen mit ihren flachen 
Linien kaum hervorsehen. Meilenweit sährt der Küstensegler über die flachen 
Watten hinweg bis an die äußere Juselreihe von Amrum und Sylt. Wenn wir 
aber 6 Stunden später den Rückweg suchen wollten von Amrum, so ist das Bild 
ein vollständig verändertes. Jetzt ist das Gebiet bis zur Küste Land, und nur ein- 
zelne Ströme und Priele führen das noch nicht abgeflossene Wasser dem Meere 
zu. £?o wie die Flußtäler des Binnenlandes dadurch entstehen, daß die Regen- 
massen sich einen Ausweg suchen, so haben sich auch in diesem zwischen Land und 
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