Stand der Rüstungen. 537
60. Der deutsche Krieg.
Die Heeresrüstungen waren auf Seiten der beiden Großmächte im
Wesentlichen beendigt. Seit Anfang Mai, wo die Mobilmachung der
Armee in Preußen befohlen war, hatten die Rüstungen in rascher Folge nach
allen Seiten ihre Vervollständigung gefunden. Nicht nur das gesammte ste¬
hende Heer war in volle Kriegsbereitschaft gesetzt, um seiner Bestimmung
gemäß ohne Weiteres gegen den Feind zu ziehen, sondern durch Einziehung
der Landwehr ersten Aufgebots uud eines Theils des zweiten Aufgebots
waren auch die erforderlichen Ersatztruppen uud Festuugsbesatzuugeu gebildet.
Schon bei den Vorbereituugeu bewährten sich die neuen Heereseinrichtungeu
in vollem Maße. Vom ersten Rufe des Königs zur vorläufigen Kriegsbereit¬
schaft bis zur Aufstellung der gesammten mobilen Armee an der feindlichen
Grenze war Alles in dem umfangreichen Räderwerke so einfach, so glatt, so
pünktlich und genau vor sich gegangen, daß alle militärischen Anordnungen unb
demgemäß auch alle bavon abhängigen politischen Schritte stets auf Tag unb
Stunde vorher berechnet werden konnten.
Anfang Juni verfügte Preußen an ^inie und Landwehr über eine Heeres¬
macht von beinahe 500,000 Mann, wovon nach Abzug ber Besatzungen unb
Ersatztruppen etwa 330,000 Mann für bie Feldarmee disponibel waren. Oester¬
reich hatte seinerseits im Ganzen 600,000 Mann, für die Feldarmee 400,000
Mann. Davon mußten etwa 150,000 gegen Italien verwandt werden, so
daß 250,000 für den Krieg gegen Preußen blieben. Von den bentschen Bun-
besgenossen Oesterreichs aber sollten Baiern 65,000 Mann (nach Erreichung
ber vollen Stärke seines Corps über 100,000 Mann), Hannover etwa 26,000
Mann, Hessen-Kassel 15,000, Hessen-Darmstadt über 10,000 Mann stellen.
Von vorn herein hoffte Oesterreich über 140,000 Mann Bundestruppen mit
seinem Heere vereinigt zu sehen und somit Preußen um etwa 60,000 Mann
Überlegen zu seiu. Damit vermeinte man Preußen um so mehr erdrücken zu
können, als die Verbindung der östlichen und westlichen Provinzen durch Han¬
nover und Kurhessen geradezu unterbrochen werden konnte. Preußen aber
zerstörte alle solche Berechuuugeu, indem es seine Hauptkräfte auf den wich¬
tigsten Punkten sammelte uud durch rasches Handeln den Feinden zuvorkam.
Die preußische Kriegsmacht war in drei Hauptarmeen vertheilt: Die
erste Armee unter dem Oberbefehle des Prinzen Friedrich Karl mit
dem General von Voigts-Rhetz als Chef des Generalstabes, bestehend
ans brei Armecorps, bem 2. (pommerschen) unter General von Schmibt,
bem 3. (branbeuburgischen) unb dem 4. (sächsischen), uud einem Kavallerie-
corps unter dem Prinzen Albrecht (Vater), im Ganzen 100,000 Mann; —
die zweite (schlesische) Armee unter dem Oberbefehle des Kron¬
prinzen mit dem General von Blumenthal als Chef des General-
stabes, und bestehend aus vier Armeecorps, dem 1. (preußischen), unter dem
General von Bouiu, dem 5. (posenschen) unter General von Stein¬
metz, dem 6. (schlesischen) unter dem General von M u t i u s, dem Garde¬
corps unter dem Prinzen August von Württemberg und einer Reserve-
Kavallerie-Division unter General von Hartmann, in Allem 116,000
Mann; — die dritte Armee (Elb-Armee) unter dem Oberbefehle des