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werden, über Erscheinungen nachzudenken, welche täglich an seinem Auge vor-
überziehen und es oft veranlassen, sein Wissen aus dem ursprünglichen Zu-
sammenhange herauszunehmen und auf einzelne konkrete Fälle zu beziehen, z. B.
auf Erscheinungen im Hause, in der Werkstatt, auf dem Markte,
auf Vorgänge im H a n d e l und Verkehr, auf Verhältnisse in G e m e i n d e
und Staat usw., um diese auf Grund der gewonnenen Einsicht zu erklären
und zu beleuchten.
Vor allem wollen die Lehrproben erzielen, daß die Schüler an dem
erdkundlichen Stoffe und auf der Karte gründlich geschult
werden, damit sie im spätern Leben das Erlernte ohne Hilfe verwenden und
sich von allen Verhältnissen.ein klares Bild machen können. Zu diesem Zwecke
sorgen die Lehrproben für Übungen, die das schnelle Orientieren
auf der Karte zum Gegenstande haben und verbinden den erdkundlichen Stoff
mit andern Unterrichtszweigen zur Beleuchtung, Belebung,
Ergänzung usw. des Unterrichts. Die Lehrproben berücksichtigen die
Fassungskraft und S e l b st t ä t i g k e i t der Schüler und sorgen auch
für die nötige Wiederholung. Bei der Behandlung der einzelnen
Landschaften ist stets Rücksicht und Bezug auf die Heimatprovinz genommen
und diese zu Vergleichen usw. herangezogen worden, wodurch eine fort-
währende Wiederholung des heimatlichen Landes und der verwandten Land-
schaftsgebiete stattfindet.
Ich bemerke, daß die Ausarbeitungen nicht strikte eine der Neuzeit-
lichen Richtungen auf dem Gebiete der Erdkunde verfolgen, sondern von
allen das Beste und Bewährte herausnehmen und somit das
bewährteAlte mit dem angebrachtenNeueu angemessen zum Aus¬
druck bringen, wodurch ein jeder auf feine Rechnung kommt. Die Lehrproben
sind nicht für eine bestimmte Stufe oder Schule verfaßt, daher die
Fülle des Stoffes zur Auswahl. Wohl habe ich eine gewisse Teilung des
Stoffes für einfache Schulen (gewöhnlicher) und mehrklassige Schulen (ein-
facher und kleiner Druck) durch die Verschiedenheit des Druckes vorgenommen.
Trotzdem rufe ich dem Lehrer der einfachen Landschule die Mahnung
zu: Halte weises Maß, und suche nur das Notwendigste für deine Schule aus!
Sieh aber zu, daß der ausgesuchte Stoff kein totes Gerippe, sondern eine
wirkliche lebendige Darstellung des Bandes bildet.
Was die Behandlung des erdkundlichenStosfes in der
Volksschule nach den Bestimmungen und Anordnungen des Ministerial-
Erlasses vom Jahre 1908 anbelangt, so weise ich auf meine Ausführungen
über diesen Unterrichtszweig in der „Praxis der Landschule" und in
der „Zweisprachigen Volksschule" hin. Da auch die einzelnen
Lehrproben klipp und klar zeigen, wie die Behandlung des Stoffes in der
Volksschule zu erfolgen hat, so sehe ich von der Aufstellung bestimmter Thesen
und Winke für diesen Unterrichtszweig ab.
Ich erwähne hier, daß ich mich auf mehrfache Anregungen hin ent-
schloffen habe, in der nächsten Zeit nach vorliegenden Präparationen „söge -
nannte Leitfäden" für die Hand der Schüler auszuarbeiten, um so die
Arbeit in der Schule zu erleichtern und dem Gedächtnis der Schüler zu Hilfe
zu kommen.
Mögen die erdkundlichen Lehrproben, in ihrem neuen Gewände, die
auch aus der Praxis der Volksschule kommen, dem geographischen Unterrichte
in derselben zu Nutz und Gutem gereichen und sich die Anerkennung aller
meiner Herren Kollegen in noch größerem Maße gewinnen wie vordem.
Oliva, im Januar 1911.
Riebandt, Rektor.