Object: Bilder-Atlas zur Geographie von Europa

2\ IV. Die mitteldeutsche Gebirgsschwelle. 
in ähnlicher Fülle vereint finden. Diese Naturgaben, mit deren Ausbeutung und Verarbeitung 
hunderttausende von Menschenhänden beschäftigt sind, haben hier in wenig Jahrzehnten aus 
unansehnlichen Landorten zahlreiche Industriestädte ersteu Ranges erstehen lassen, gerade wie in 
England, und so ist das Sauerland der industriellste Bezirk von ganz Deutschland 
geworden. Bergwerk drängt sich an Bergwerk, Hütte an -Hütte, aus Tausenden von Schorn¬ 
steinen steigen die Rauchwolken empor, überall ertönt der Schall der gewaltigen, durch Dampf- 
kraft getriebenen Hämmer, und ein sast unentwirrbares Netz von Eisenbahnen überzieht die 
Gegend nach allen Richtungen. Wir sind an der Stätte intensivster deutscher Arbeit, deutscher 
Industrie. Nirgends auf deutschem Boden erkennt man den fordernden Einfluß der Fabrik- 
thätigkeit auf Städtebildung und Bevölkerungsdichte so augenscheinlich wie hier. Im rhein- 
ländischen Bezirk Düsseldorf und ebenso im angrenzenden Westfalen, besonders im Ruhrkohlen- 
gebiet mit seinen Fabrikstädten, erreicht die Bevölkerungsdichte Preußens und Deutschlands 
ihren Höhepunkt mit 36 J Bewohnern auf einem (Quadratkilometer. Auf einem Flächenraum 
von fünfeinhalbtausend (Quadratkilometern, einem Gebiete nicht ganz von der Größe der baye- 
rischen Rheinpfalz, liegen ^ Städte mit mehr als J00,000, 7 weitere mit mehr als 30,000, 
\ \ mit mehr als ^0,000 und schließlich noch 3J mit mehr als 5000 Einwohnern. Im Wupper- 
thal mit der Doppelstadt Elberfeld-Barmen herrscht Textilindustrie, in Solingen-Remscheid 
Eisenfabrikation. 
Nicht der größte, aber der berühmteste unter all den zahlreichen Industrieorten Westfalens 
und der Rheinlande ist Essen (S. 9O. hier wurden die Waffen geschmiedet, mit deren Hilfe 
Deutschland seinen Gegner überwand, hier liegen die weltberühmten Kruppschen Werke, in 
denen an 20,000 Arbeiter und ein ganzer Generalstab von Beamten beschäftigt sind. 
In scharfem Gegensatze hierzu steht die nordwärts angrenzende Münsterer Bucht, ein 
ausgesprochenes Ackerbauland, dessen niedersächsische Bewohner noch heute, ähnlich wie im 
Hochgebirge und in der Moränenlandschaft, die alte Einzelsiedelung festhalten (S. 93). Das 
katholische Münsterland hat daher außer seiner Hauptstadt Münster (57,000 Einwohner) 
keinen einzigen Wohnplatz, der mehr als 8000 Einwohner hat. Im östlichen Winkel der Tief- 
landsbucht liegt die alte Bischofsstadt Paderborn (S. 9O. 
2. harz und Thüringen. 
Die Fortsetzung des rheinischen Schiefergebirges gegen Nordosten bildet der harz. Wie 
jenes besteht er vorwiegend aus Schiefer und Grauwacke; auch trägt die Oberfläche des 
Harzes durchaus Plateaucharakter, und ebenso gleichen die tiefeingegrabenen, von Steilrändern 
eingefaßten Flußthäler vielfach denen des rheinischen Schiefergebirges. Dem harze eigenartig 
aber sind die Granitmassen, die die Schieferhülle durchsetzen und teilweise domartig, wie die 
Kuppe des Brocken (U^ m), das Plateau überragen. Das Thal der Bode führt von dem 
altertümlichen (Quedlinburg, der Lieblingsstadt König Heinrichs des Finklers, dem harze ent- 
gegen. Bei Thale, einem besuchten Sommersrischorte des Harzes, erreicht man nach zweistün- 
diger Wanderung den Fuß des Gebirges und dicht daran zugleich die landschaftlich schönste Stelle 
desselben, den Ausgang des Bodethales mit Roßtrappe und hexentanzplatz. 
Unmittelbar am Rande des Plateaus hat sich der stürmische Fluß 200 in tief in den gra- 
nitenen Körper des Gebirges eingesägt, und brausend und schäumend stürzt er zwischen den 
abenteuerlich geformten Zacken und Zinnen der „Harzklippen" durch den sogenannten „engen 
Weg". Die sagenberühmten Felsenvorsprünge zu beiden Seiten des Thales sind der hexen- 
tanzplatz (H5H m) und die Roßtrappe (375 m). Der Sage nach sollen da die bösen Geister des 
Gebirges, die hexen, ihre Tänze aufgeführt haben. Die Trappe aber rührt angeblich von 
dem Zauberrosse her, auf dem des Harzkönigs Tochter, das Riesenfräulein Brunhild, von 
ihrem aufgedrungenen Bräutigam Bodo verfolgt, in kühnem Sprunge über die Schlucht setzte. 
Die sagenumwobene Vertiefung ist durch Verwitterung des Granits entstanden, der, wie die 
massenhaft umherliegenden Blöcke und die Gehängeklippen zeigen, unter dem Einflüsse der 
Atmosphäre der Zerstörung anheimfällt. Die widerstandsfähigeren Teile der Grundmasse 
bleiben als Blöcke oder Pyramiden erhalten, die weicheren werden vom Regen und Wind fort- 
getragen. Alle Felsenmeere des Harzes sind auf diesen Vorgang zurückzuführen.
	        
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