fullscreen: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

10. Die Reformation in Deutschland. Martin Luther. 53 
Papst Leo X. hatte bisher dieser Sache, welche er für ganz unbedeutend 
hielt, wenig Aufmerksamkeit gewidmet, er soll sogar dem warnenden Prierias 
geantwortet haben, das seien bloße Mönchszänkereien (invidie fratesche); der 
alte Kaiser Maximilian sah hier schärfer; er machte den Papst in einem Briefe 
auf die Gefahr, die von diesem Mönche drohte, aufmerksam. Doch schon 
vor Ankunft dieses Briefes war eine Aufforderui/g an Luther erlassen worden, 
sich binnen 60 Tagen zu Rom zu verantworten; auf die Verwendung des 
Kurfürsten von Sachsen und der Universität Wittenberg gestattete indeß 
Leo X., daß die Sache in Deutschland durch den päpstlichen Legaten, Cardinal 
Thomas de Vio von Gaeta, geschlichtet werden sollte. Dieser, der 
berühmteste scholastische Theolog jener Zeit, suchte vergeblich Luthern, der 
sich zu Augsburg vor ihm stellte, zum unbedingten Widerrufe zu bewegen; 
statt dessen appellirte Luther von dem „übel unterrichteten an den besser zu 
unterrichtenden" Papst. Als nun Leo in einer Bulle die Lehre vom Ablasse, 
in der Form, welche Luther bestritt, doch ohne diesen zu nennen, bestätigte, 
ging Luther weiter und appellirte an eine allgemeine Kirchenversammlung. 
Der Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen schien geneigt, Luther, welcher 
durch seinen Ruf die Blüte der von ihm gestifteten Universität Wittenberg 
so sehr erhöhte, zu schützen; der Papst sandte daher seinen Kammerherrn, 
Karl von Miltiz, um den Kurfürsten zu gewinnen. Dieser gewandte 
Hofmann ließ sich auch mit Luther selbst in Unterhandlungen ein, konnte 
ihn zwar nicht zum Widerruf bewegen, gewann ihm aber doch das Ver¬ 
sprechen ab, daß er schweigen wolle, wenn auch seine Gegner zum Schweigen 
gebracht werden könnten. Aber alle Versuche, dem bevorstehenden Schisma 
durch gütliche Ausgleichung voizubeugen, wurden vereitelt durch die Dispu¬ 
tation, welche 1519 zu Leipzig zwischen Andreas Bodenstein, genannt Carl¬ 
stadt, und Luther einerseits und Dr. Eck, Professor an der Universität 
Ingolstadt, andererseits in Gegenwart des Herzogs Georg von Sachsen statt¬ 
fand. Hier läugnete Luther schon, durch Eck gereizt, den Primat des Papstes, 
und als man ihm in dem Streite über die guten Werke die bekannte Stelle 
ans dem Briefe Jakobi entgegenhielt, verwarf er ohne Bedenken das cano- 
nifche Ansehen dieses Briefes. 
Ermnthigt durch die ihm günstige Gesinnung eines großen Theils der 
Nation, besonders des Adels, und durch das Verhalten seines Kurfürsten, 
der allen Anforderungen zur Unterdrückung der neuen Lehre widerstand, 
wagte Luther nun 1520 in dem Buche: „An kaiserliche Majestät und den 
christlichen Adel deutscher Nation, von des christlichen Standes Besserung" 
eine förmliche Lossagung von der Kirche; er begehrte Aufhebung der Kloster¬ 
gelübde und des Cölibats, Abschaffung der Festtage und Fasten und Vertil¬ 
gung des ganzen kanonischen Rechts. Der weltlichen Obrigkeit, erklärte er 
hier, gebühre das Recht, sündige Geistliche, Bischöfe und Päpste abzusetzen, 
und der Papst, deffen Gewalt die Seelen zur Verdammniß führe, sei der
	        
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