Full text: [Teil 2, [Schülerband]] (Teil 2, [Schülerband])

178 
Fürchterlich sind die Schrecknisse der Wüste. Vor allem erzittert 
der Reisende, wenn der entsehliche Khamsin) naht. Dann wird die 
Luft unerträglich schwül, und der sonst so klare Horizont verschwimmt 
hinter einem nebligen Schleier, den der in der Ferne aufgewirbelte 
Wüustensand bildet, während in der Nähe noch kein Lüftchen sich regt. 
Aer die Kamele scheinen das kommende Ungewitter zu ahnen, sie 
werden unruhig und ängstlich und sind kaum von der Stelle zu bewegen 
Und nun erhebt sich von Suden oder Südwesten ein leichter heißer 
Wind, anfangs nur pausenweise mit schnell vorübergehenden Stößen, 
bald aber immer häufiger, heftiger und sturmartiger. Obgleich die 
Sonne den dichten Staubschleier nicht mehr zu durchdringen vermag, 
scheint es dem Wanderer doch, als ob ihre Strahlen ihm unmittelbar 
das Haupt versengten, so furchtbar ist die erstickende Hitze. Allmählich 
verwandelt sich der feurige Purpur der Atmosphäre?) in bleierne Dunkel⸗ 
heit. Die schnaufenden und ächzenden Kamele lagern sich dicht gedrängt 
neben einander, den Hals lang über den Boden ausgestreckt, den Rücken 
gegen den wütenden Sandsturm gekehrt. Die Kameltreiber häufen 
die Wasserschläuche über einander, um sie möglichst vor dem Verdunsten zu 
bewahren, hüllen sich dicht in ihre Mäntel ein und suchen Schutz vor 
dem Winde hinter Kisten und Ballen. Nachts ist die Dunkelheit voll⸗ 
kommen, kein Licht, kein Feuer brennt in den Zelten, die nur mühsam 
den Windstößen widerstehn. Jeder schweigt, doch niemand schläft; 
unheimlich dringt von Zeit zu Zeit das Geheul eines Schakals durch 
das Brausen der empörten Atmosphäre. 
Ein anhaltender Sandsturm vermehrt auf schreckliche Weise die 
Beschwerden äiner Wüstenreise und bringt dem Wanderer neue, noch 
unbekannte Leiden. In der trockenen Luft springen seine Lippen auf 
und fangen an zu bluten; seine Zunge lechzt vergebens nach einem 
erfrischenden Trunke, und zugleich mit einem wütenden Durste quält 
ihn ein unausstehliches Jucken und Brennen über den ganzen Körper, 
denn die Haut oͤffnet sich an hundert Stellen, und der feine Sand 
dringt in jede Wunde ein. 
Bisweilen ist eine tödliche Entzündung die Folge dieser gehäuften 
Qualen; in anderen Fällen entsteht Blutändrang nach dem Gehirn, 
und besinnungslos stürzt der Unglückliche hin, um niemals wieder auf— 
zustehn. Und das Los seines Gefährten, der noch das volle Be— 
wußtsein seiner trostlosen Lage behält, ist oft noch schrecklicher; denn 
der Tod des Verdurstens erwartet ihn mit seinen langsamen Foltern. 
Sein Kamel fällt erschöpft nieder, sein Wasserschlauch ist fast leer. Er 
versucht zu gehn, aber bald hat der glühende Sand seine Füße mit 
Geschwüren bedeckt, und ein jeder Schritt ist mit marternden Schmerzen 
verbuͤnden. Seine Gefährten sind alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um 
seinen Leiden das geringste Mitgefühl zu schenken; sie haben nur einen 
Gedanken — sich selbst, — nur ein Ziel — das Erreichen des nächsten 
Brunnens. Wasserlos, hilflos bleibt er allein in der schrecklichen Einöde zurück. 
M) Der Khamsin (v. arab. chamsia — funfzig), der besonders während der 
sunsr Tage voin Ende April bis zu Anfang der Mlüberschwemmung in Ägypten 
wehende, aus der Wüste kommende Glühwind. ») Die Ammosphäre, der die Erde 
umgebende Dunstkreis.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.