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Da wurde er als ungehorsamer Unterthan in die Reichsacht und
seiner Herzogtümer verlustig erklärt. Über wen die Reichsacht ver¬
hängt wurde, der war vogelfrei, d. h. wer da wollte, konnte ihn
straflos umbringen. Es kam zum Kriege gegen ihn. Heinrich leistete
eine Zeit lang tapfere Gegenwehr, aber endlich blieb ihm nichts
übrig als den Kaiser um Gnade zu bitten. Es wurde wieder eine
Reichsversammlung ausgeschrieben, hier warf sich der gebändigte
Löwe dem Kaiser zu Füßen. Dieser war in der Erinnerung an
ihre frühere Freundschaft und an den jähen Umschlag von Heinrichs
Schicksal tief ergriffen, hob ihn gütig auf uud umarmte ihn unter
Thränen. „Du bist das eigene Werkzeug deines Falles," fprach
der Kaiser. Aber die Strafe wurde ihm nicht erlassen. Er verlor
seine Herzogtümer und wurde auf drei Jahre aus dem Reiche ver¬
wiesen, doch ein Teil der früher von ihm eroberten Lande sollte
ihm und seiner Familie verbleiben.
Wenn der nunmehr alte Kaiser auf sein Leben zurückblickte, so
durfte er sich sagen, daß es nach dem Worte der heiligen Schrift
Mühe und Arbeit gewesen. Jetzt endlich war rings um ihn Frieden
geworden. Dieses freudige Gefühl bewog ihn ein Reichsfest zu
feiern, wie es noch nie stattgefunden hatte. Zu Pfingsten versammel¬
ten sich auf feine Einladung in Mainz alle Großen mit zahllosem
Gefolge; der Erzbischof von Köln allein hatte ein Gefolge von
4000 Mann. Der hinzuströmenden Fremden waren so viele, daß
die Stadt sie nicht faßte, es mußte eine große Ebeue vor den Thoren
aushelfen, wo beinahe eine zweite Stadt von Zelten errichtet ward.
Nicht nur sämtliche Fürsten und Edelen, sondern auch das Volk
wurde drei Tage lang vom Kaiser trefflich bewirtet, wozu eine un¬
sägliche Menge Lebensmittel und Wein herbeigeschafft war. Das
Fest begann damit, daß der Kaiser seinen beiden älteren Söhnen
den Ritterschlag erteilte, dann folgten mannigfache Ritterspiele und
andere Ergötzlichsten. Der Überfluß bei den Festmahlen, die
Pracht der Kleider, Waffen und Pferde der unzähligen Ritter, die
reichgeschmückten schönen Frauen wirkten zusammen, daß keiner der
Anwesenden, wenn er auch noch so lange lebte, den Eindruck, welchen
diese Freudentage hinterließen, vergessen konnte. Der Kaiser aber,
von dessen Antlitz Hoheit und Milde leuchtete, war der Glanzpunkt
dieser Herrlichkeit.
Damals war es nicht selten, daß fromme Helden ihr thaten-
reiches Leben mit der Teilnahme an einem Kreit^uge beschließen wollten.