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Gemeindeland, die Slmende, also die vom vorf gemeinsam benutzten wiesen und
weiden. Wälder und Wege, eventuell Seen. Sandgruben. Steinbrüche, wann und wo
die Germanen die bei den Slawen noch verbreitete Hauskommunion aufgegeben und
an Stelle des Aollektivbesitzes der Sippe den Individualbesttz, also die eigene Hofstatt
mit eigenem Äcker entwickelt haben, darüber fehlen authentische Nachrichten. Immer¬
hin dürfte die Annahme") einer sozialen Revolution nicht dem wahren Sachverhalt
entsprechen. Mmende und Flurzwang sind ja noch Reste des Kommunismus, der all¬
mählich abgeschafft wurde. Ursprünglich besaß jeder Hofbauer in jedem Gewann oder
Zeigen einen Landstreifen, eine Hufe, die durchschnittlich, je nach der Größe
seiner Familie (beHofen — bedürfen) aus 20 bis 40 Morgen, d. h. an einem Tage
bearbeitbaren Landflächen bestand, Auf leichtem, schlechtem Boden wächst diese Zahl-
in der Eifelabtei Prüm gehörten z. 6. 160 Morgen zu einer Hufe, weil nun diese
Hufen, die den einzelnen Lauern gehörten, in der Flur verteilt lagen, ergab sich
daraus eine bunte überfülle von Grundstückgrenzen, eine Duelle ewigen Haders
einerseits, aber anderseits auch der Nährboden jenes starken, republikanischen Ge¬
meingefühls, das noch aus den alten weistümern zu uns spricht. Venn bei dem Man¬
gel an erschließenden wegen verband sich mit dieser Ackerverteilung der Flu r-
zwang (?lurordnung), der durch Festsetzung der Bestellungszeit, der Fruchtart und
des Ernteanfanges für die einzelnen Gewanne oder Schläge verhinderte, daß durch
die Willkür des Einzelnen das Ackerland anderer durch Legehen oder hinüber¬
fahren geschädigt wurde. Vieser kommunistische Betrieb wirkt ja in vielen Wein¬
gegenden noch bis zur Gegenwart nach, indem bei der Reife die Weinberge auch
für ihre Besitzer geschlossen und erst zur gemeinsamen Ernte lagenweise wieder
freigegeben werden. Im Lauf des 19. Jahrhunderts haben erst in Preußen, dann
auch in Rayern, Sachsen, also von Norden nach Süden fortschreitend vorteilhaftere
Regulierungen derart Platz gegriffen, daß man den zerstreuten „gemengten"
Einzelbesitz zusammenlegte zu einheitlicheren, zusammenhängenden Flächen, das
Feldgelände durch Zufahrtswege erschloß, die dem einzelnen Bauern ermöglichten,
seine Landstücke nach freiem Gutdünken zu bewirtschaften, vas ist der bekannte
Prozeß der Separation oder Flurbereinigung (VerKoppelung), durch den
der meist so bunte Teppich der vorffluren ein sehr verändertes einförmigeres Gesicht
erhalten hat.*)
Die der Zentralisation zustrebende, politische Entwicklung ließ schon früh,
vom y. Jahrhundert ab, in dem alten Haufendorf einen Platz, den öl n g e r bedeutsam
werden, wo unter alten, schattenden Linden; meist auf Steinsitzen, Gericht
gesprochen, Feste gefeiert und gemeinsame Angelegenheiten beraten wurden. Es
lag also nahe, diesen vorfplatz. im westlichen Niederdeutschland Tie, in Süddeutsch¬
land heimgarten genannt, bei der Anlage von vornherein zu berücksichtigen, etwa
aus diesem sozialen Mittelpunkt einen lokalen zu machen und die Höfe nach ihm
zu richten. So entstand im 12. Jahrhundert das Angerdorf, der Form nach
ein Mitteltyp zwischen Haufendorf und Rundling.
') vgl. R a n ck, Kulturgeschichte des deutschen Bauernhauses, S. 4.
2) Genauere angaben macht (Beides, Geschichte des deutschen Bauernstandes, 3. 106.
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