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Wenn dieser Antrag somit auch nicht sofort, sondern erst nach langen,
beklagenswerten Wirren zur Ausführung kam und nun die feste Grundlage
einer gedeihlichen Entwickelnng nicht nur für Preußen, sondern für das ganze
unter der Führung nnfres erhabenen Kaisers und Königs geeinte Deutsche Reich
bildet, so sollen doch die Männer in Ehren gehalten werden, die in selbst-
loser Vaterlandsliebe und festem Mute zuerst dafür eintraten. Unter diesen
darf der edle, überzeugungstreue Johann Jakobi, ein jüdischer Arzt, nicht
vergessen werden, der durch seine bald nach der Huldigung veröffentlichte
Broschüre „Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen" die Forderung
der preußischen Provinzialstände energisch vertrat und auch in den späteren
politischen Kämpfen treu und mutig an seiner Überzeugung festhielt.
Daß durch so gewichtige Vorgänge in der Stadt Kants, der die Lehre
vom kategorischen Imperativ, d. h. von der Pflicht, seinem Gewissen unter allen
Umständen unbedingt Folge zu leisten, aufstellte, der patriotische, freiheitliche
Sinn wesentlich gestärkt und erhoben werden mußte, liegt am Tage. Möge er
sich in der guten Stadt immer stark erweisen.
Königsberg als Universität. Kant, Hamann, Herder, die wissenschaft¬
lichen Koryphäen der neueren Zeit. Die landesväterliche Absicht, welche
Herzog Albrecht mit der Gründung einer Hochschule iu Königsberg verband,
damit eine Leuchte anzuzünden, die ihre Strahlen weithin über das Wissenschaft-
licher Bildung sehr bedürftige Land ergösse, ging anfangs nur in höchst unvoll-
kommeuem Maße in Erfüllung. Wohl hatte er selbst gewollt, daß die reine
Lehre Luthers, an der er mit ganzer Seele hing, an den hierher berufenen
Lehrern eine feste Stütze finden sollte, und allerdings erlangte Königsberg in
jener Zeit den Ruhm, die festeste Burg des orthodoxen Luthertums zu sein,
aber die zelotische Unduldsamkeit und Herrschsucht, welche diese Zionswächter
größtenteils zeigten, verbitterte dem wahrhaft frommen, treu an seinem Glauben
hängenden, aber milden und duldsamen Fürsten auf unleidliche Weife das Leben.
Von einer gedeihlichen Einwirkung aus Geist und Herz der Bevölkerung war
nichts zu spüren. Krassester Aberglauben, geistlose Zänkereien, Ketzerriecherei
und Verfolgungssucht waren an der Tagesordnung. In der die übrigen ent-
schieden dominierenden theologischen Fakultät blieb dieser finstere und beschränkte
Geist lange herrschend, in andern Wissensgebieten dagegen begann nach und
nach, namentlich zur Zeit des Großen Kurfürsten, ein regeres und erfreu-
licheres Leben.
Zum erstenmal sehen wir in dieser Zeit preußische Dichter eine ehrenvolle
Stelle auf dem deutschen Parnaß einnehmen, unter denen Simon Dach (geb.
1605 zu Memel, 1639 bis 1659, wo er starb, als Professor der Poesie in
Königsberg wirkend) der bedeutendste ist. Obwohl im allgemeinen in den Bahnen
des damals im höchsten Ansehen stehenden schulmäßig pedantischen Opitz wan-
delnd, findet er nicht selten in seinen Gedichten den Ton wahrer, warmer
Empfindung, wie in manchen seiner geistlichen Lieder, dem reizend naiven,
später durchaus volkstümlich gewordenen, zur Hochzeitsfeier der Tochter des
Pfarrers von Tharau, eines Dorfes in der Nähe von Königsberg, in platt-
deutscher Sprache gedichteten „Anke von Tharow" und besonders in dem wahr-
Haft tief gefühlten Lied an die Freundschaft „Der Mensch hat nichts so eigen".