Full text: Bilder aus den deutschen Küstenländern der Ostsee (Bd. 11)

470 Königsberg. 
Wenn dieser Antrag somit auch nicht sofort, sondern erst nach langen, 
beklagenswerten Wirren zur Ausführung kam und nun die feste Grundlage 
einer gedeihlichen Entwickelnng nicht nur für Preußen, sondern für das ganze 
unter der Führung nnfres erhabenen Kaisers und Königs geeinte Deutsche Reich 
bildet, so sollen doch die Männer in Ehren gehalten werden, die in selbst- 
loser Vaterlandsliebe und festem Mute zuerst dafür eintraten. Unter diesen 
darf der edle, überzeugungstreue Johann Jakobi, ein jüdischer Arzt, nicht 
vergessen werden, der durch seine bald nach der Huldigung veröffentlichte 
Broschüre „Vier Fragen, beantwortet von einem Ostpreußen" die Forderung 
der preußischen Provinzialstände energisch vertrat und auch in den späteren 
politischen Kämpfen treu und mutig an seiner Überzeugung festhielt. 
Daß durch so gewichtige Vorgänge in der Stadt Kants, der die Lehre 
vom kategorischen Imperativ, d. h. von der Pflicht, seinem Gewissen unter allen 
Umständen unbedingt Folge zu leisten, aufstellte, der patriotische, freiheitliche 
Sinn wesentlich gestärkt und erhoben werden mußte, liegt am Tage. Möge er 
sich in der guten Stadt immer stark erweisen. 
Königsberg als Universität. Kant, Hamann, Herder, die wissenschaft¬ 
lichen Koryphäen der neueren Zeit. Die landesväterliche Absicht, welche 
Herzog Albrecht mit der Gründung einer Hochschule iu Königsberg verband, 
damit eine Leuchte anzuzünden, die ihre Strahlen weithin über das Wissenschaft- 
licher Bildung sehr bedürftige Land ergösse, ging anfangs nur in höchst unvoll- 
kommeuem Maße in Erfüllung. Wohl hatte er selbst gewollt, daß die reine 
Lehre Luthers, an der er mit ganzer Seele hing, an den hierher berufenen 
Lehrern eine feste Stütze finden sollte, und allerdings erlangte Königsberg in 
jener Zeit den Ruhm, die festeste Burg des orthodoxen Luthertums zu sein, 
aber die zelotische Unduldsamkeit und Herrschsucht, welche diese Zionswächter 
größtenteils zeigten, verbitterte dem wahrhaft frommen, treu an seinem Glauben 
hängenden, aber milden und duldsamen Fürsten auf unleidliche Weife das Leben. 
Von einer gedeihlichen Einwirkung aus Geist und Herz der Bevölkerung war 
nichts zu spüren. Krassester Aberglauben, geistlose Zänkereien, Ketzerriecherei 
und Verfolgungssucht waren an der Tagesordnung. In der die übrigen ent- 
schieden dominierenden theologischen Fakultät blieb dieser finstere und beschränkte 
Geist lange herrschend, in andern Wissensgebieten dagegen begann nach und 
nach, namentlich zur Zeit des Großen Kurfürsten, ein regeres und erfreu- 
licheres Leben. 
Zum erstenmal sehen wir in dieser Zeit preußische Dichter eine ehrenvolle 
Stelle auf dem deutschen Parnaß einnehmen, unter denen Simon Dach (geb. 
1605 zu Memel, 1639 bis 1659, wo er starb, als Professor der Poesie in 
Königsberg wirkend) der bedeutendste ist. Obwohl im allgemeinen in den Bahnen 
des damals im höchsten Ansehen stehenden schulmäßig pedantischen Opitz wan- 
delnd, findet er nicht selten in seinen Gedichten den Ton wahrer, warmer 
Empfindung, wie in manchen seiner geistlichen Lieder, dem reizend naiven, 
später durchaus volkstümlich gewordenen, zur Hochzeitsfeier der Tochter des 
Pfarrers von Tharau, eines Dorfes in der Nähe von Königsberg, in platt- 
deutscher Sprache gedichteten „Anke von Tharow" und besonders in dem wahr- 
Haft tief gefühlten Lied an die Freundschaft „Der Mensch hat nichts so eigen".
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.