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insel, bei Frankreich, England, selbst noch bei der italischen und griechi-
schen Halbinsel.
Die geographischen Nachteile von Deutschland sind etwa folgende:
Der Anteil am Meere ist zwar sehr beträchtlich, nicht viel geringer als
der von Frankreich, aber er ist durch die Ungunst der Örtlichkeit ver-
kümmert. Die Ostsee ist nur ein seichtes, gefahrvolles Binnenmeer und hat
keinen natürlichen guten Hafen für größere Schiffe. Die Nordsee ver-
stattet zwar eine unmittelbare Verbindung mit dem Ocean, aber sie
hat ebenfalls niedere fandige Dünenküsten mit gefahrvoller Annäherung
und wenig gute Häfen für Kriegsschiffe. Der Anteil am adriatischen
Meere ist wieder nicht groß genug. Hiernach ist Deutschland aller-
dings imstande, wie die günstig ausgestatteten Länder Europas, teil am
Welthandel zu nehmen und sein Anteil am Meere ist ganz unschätzbar;
aber es hat größere Schwierigkeiten, seine Häfen durch Kunst zu ver-
bessern, und die Masse des Landes ist gegen die Ausdehnung der
Küsten so groß, daß das Land, mehr als andere, verhältnismäßig mehr
auf Ackerbau und Industrie als auf Unternehmungen zur See äuge-
wiesen scheint. — Ferner ist es des ununterbrochenen Hochlands fast
zu viel, indem drei Fünfteile davon angefüllt sind. Dadurch wird zwar
der Reichtum der Formen sehr erhöht, aber es wird zu viel Bergland
dem Anbau entzogen und es werden der Anlage von Straßen, Eisen-
bahnen und Wasserverbindungen zu viel Hindernisse in den Weg gelegt.
— Weiter liegt der nordwestliche Teil des großen Tieflands zu niedrig,
es stauen sich die Gewässer zu ausgedehnten Sümpfen und Mooren
auf. In den Niederlanden sind diese wegen des Vorteils der großen
Strommündungen durch den Fleiß der Einwohner bezwungen; in den
Landstrichen östlich des Zuyderseees über die Ems bis gegen die Weser
hin, wo sich kein so günstiges Verhältnis zur Belohnung des Fleißes
zeigte, befinden sie sich noch sehr zahlreich und ausgedehnt. — Endlich
find die Küstengegenden der Nord- und Ostsee allerdings kühl, feucht
und veränderlich. — Bei diesen Mängeln, denen man noch verschiedene
örtliche hinzufügen könnte, bleibt des Höchstwertvollen und Herrlichen
noch vieles und das große reich ausgestattete Land ist von der Natur
bestimmt, der Wohnplatz eines zahlreichen, hochbegabten, reichen, mäch-
tigen Volkes zu sein.
Die Deutschen, als Urwohner von Nord- und Mittel-Europa, haben
sich auf deutschem Boden größtenteils rein und unvermischt erhalten.
Nur im Osten haben sie sich mit den Slaven vermischt, wobei sie viel-
leicht nicht gewonnen haben. Sie zeichnen sich durch einen hohen, kräs-
tigen Wuchs aus und übertreffen hierin die südeuropäischen Völker.
Eine ursprünglich derbe und gewaltige Organisation, ein nicht zu kühles
Klima, reiche kräftige Nahrung ließ sie sonst den hohen Eichen ihres
Landes gleichen. Die milde, reine Sonne ihres Himmelsstrichs bräunt
ihre Gesichter nicht, sondern überzieht sie mit der schönen Mischung
von Weiß und Rot. Die Farbe des Himmels strahlt von ihrem Auge