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artigen Eindruck machten: die eingesunkene Brust, die schwermütigen
Augen kennzeichneten sie als Kinder des schwächsten Volkes, der ent-
nervtesten Rasse Asiens, vielleicht des ganzen Erdballs. Der Grund
dieser körperlichen und geistigen Verkommenheit liegt in dem dumpfen
Drucke ihrer Religion, in dem starren, wahnwitzigen Eigensinn und in
der Gewalt ihrer Brahminen.
25. licihore.*
Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Hindns und die Musel-
männer Indiens ihre Häuser so wenig wie ihre öffentlichen Denkmäler
jemals ausbessern, wenn sie verfallen; sie lassen ihre Mauern zer-
bröckeln, ihre Dächer zerfallen, ganze Wände zusammenstürzen und
denken dann erst, daß es klug sei, sich eine andere Wohnung zu bauen.
Langsam führen sie den neuen Bau auf, wo sich in der Nähe irgend
ein freier Raum findet. Daher kommt es, daß die Städte Indiens,
selbst abgesehen von den anderen Gründen der Zerstörung, welche sich
erneuern, wie Brand und Krieg, nach und nach und ohne daß man es
merkt, ihre Stelle verändern; sie schreiten sozusagen weiter, und nach
einigen Jahrhunderten sind sie ganz und gar aus ihren alten Ring-
mauern herausgetreten, bisweilen auf eine Entfernung von mehr als
einer Stunde. Aber während die alten Mauern und Bauten, gewöhn-
lich aus Ziegeln oder Erde aufgeführt, zerfallen und ganz verschwinden,
bleiben die Denkmäler, Moscheeen, Triumphpforten, Grabmäler, Paläste,
die aus Sandstein aufgeführt sind, unverrückt, wenn auch vielfach ver-
stümmelt, stehen, und da man in den neuen Städten immer neue össent-
liche Gebäude aufführt, so ist der Reisende aufs höchste überrascht, seru
von den Wohnungen eine große Zahl schöner Denkmäler einzelstehend
und verlassen zu finden.
Das ist's, was man in der Umgegend von Lahore, von Delhi,
von A g r a und von beinahe allen Hauptstädten Ostindiens findet. In
Lahore erheben sich rings um die Stadt bis auf eine Entfernung von
mehr als einer Stunde auf deu verschiedensten Punkten einsam und
verlassen die bedeutendsten Bauten, so unter andern T ch a r B a r d j i a,
ehemals die Hauptpforte eines großen Gartens, und die alte Moschee,
welche heutzutage iu eine Kirche umgewandelt ist. Erst seit der eng-
tischen Eroberung hat man nach dieser Seite hin europäische Häuser
gebaut und ein ganzes Quartier angelegt, das von englischem Militär
bewohnt wird.
Für die Europäer ist die Stadt Lahore, welche jetzt 180000 Ein-
wohner zählt, unbewohnbar; denn wenn man nur einige Tage zu ver-
weilen hat, läßt man sich in freiem Felde ein Zelt aufschlagen; ist man
aber zu einem Ausenthalte von mehreren Monaten genötigt, so muß man
ein Haus im englischen Quartier mieten oder sich selbst eins bauen.
* Illustrierte Welt.