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Süd - Europa.
Bor einer Hütte mußten die ermüdeten Pferde ein wenig aus-
schnaufen. Das war die einzige menschliche Ansiedelung, der wir seit
fünf Stunden — so lange dauerte die Passierung des düstern Eng-
passes — begegnet waren. Ich trat in die Hütte und trank das
einzig Gebotene, ein Gläschen Slivovitz-Schnaps. Diese Hütte war
eher eine Höhle. Der gestampfte Fußboden war mit Knochen, allerlei
Abfällen und Unrat aller Art bedeckt, das Gebälke und das Dach
geschwärzt von dem Rauche, der einem Herde entstieg, von dem kein
Rohr ins Freie führt. Kein Stuhl, kein Tisch, nur ein paar klobige
Schemel stehen in diesem Räume. An den Wänden, die aus Lehm
znsammeugeklatscht waren, hingen geschwärzte Hammelfelle, welche einen
entsetzlichen Gestank verbreiteten. Wirt und Wirtin sind ebenso ruß-
geschwärzt, wie ihre elende Hütte. Und so lebt dies Paar nun hier¬
in dieser Wildnis von Maisäckern und von einer kleinen Hammel-
und Schweineherde, die in den Bergen weiden, und von dem Erlöse,
den die seltenen Reisepassanten bringen.
Nach einer Stunde Ruhe ging es weiter. Endlich langt das
Gefährt auf dem Hügel von Dragoman an. Die Straße verläßt
den Bach, dessen Lauf sie bisher verfolgte, und erklimmt allmählich
eine gewaltige Höhe in sehr steilen Krümmungen, welche den Pferden
viele Mühe machen. Die Vegetation hört hier beinahe ganz auf,
man sieht nur nackte, blutrote Felsen; nach allen Richtungen ist es
trostlos und öde. Auf dem Gipfel des Gebirges machten wir Halt.
So weit der Blick von diesem weiten Hochplateau reicht, nichts als
ödes Brachland, nirgends Feld, nirgends Weide. Und nirgends nur
die Spur einer Wohnung. Das Land ist verlassen, die Bevölkerung
ist unsichtbar! Es ist wie in einer Wüste.
Noch eine Stunde lang traben die ermüdeten Pferde bergab,
dann liegt eine endlose Ebene vor dem Reisenden, die viele Kilometer
lang und breit zn sein scheint. Sie ist flach, nackt, und kaum Kräuter
wachsen darauf spärlich. Weder Baum uoch Haus ist sichtbar. Nur
iu der Mitte, noch fern, uugeheuer fern, erhebt sich ein glänzendes
Weiß: das ist Sofia!
Um 6 Uhr abends erreichte ich Slivnicza. Von hier hat man
noch gut vier Stunden bis Sofia. Wahrhaftig, die Pferde ebenso
wie ich, bedürfen einer Stärkung. Aber die Pferde sind besser daran
als ich. Sie finden Heu und Hafer, während ich in der elenden
Zinzaren-Herberge in Slivnicza absolut nichts Menschenwürdiges er-
halten kann. Gegen diese bulgarischen Ziuzaren - Herbergen sind die
serbischen Mekauas wohleiugerichtete Hotels zu nennen. Lediglich