Full text: Geographische Charakterbilder aus Europa (Teil 2)

296 
Süd - Europa. 
Bor einer Hütte mußten die ermüdeten Pferde ein wenig aus- 
schnaufen. Das war die einzige menschliche Ansiedelung, der wir seit 
fünf Stunden — so lange dauerte die Passierung des düstern Eng- 
passes — begegnet waren. Ich trat in die Hütte und trank das 
einzig Gebotene, ein Gläschen Slivovitz-Schnaps. Diese Hütte war 
eher eine Höhle. Der gestampfte Fußboden war mit Knochen, allerlei 
Abfällen und Unrat aller Art bedeckt, das Gebälke und das Dach 
geschwärzt von dem Rauche, der einem Herde entstieg, von dem kein 
Rohr ins Freie führt. Kein Stuhl, kein Tisch, nur ein paar klobige 
Schemel stehen in diesem Räume. An den Wänden, die aus Lehm 
znsammeugeklatscht waren, hingen geschwärzte Hammelfelle, welche einen 
entsetzlichen Gestank verbreiteten. Wirt und Wirtin sind ebenso ruß- 
geschwärzt, wie ihre elende Hütte. Und so lebt dies Paar nun hier¬ 
in dieser Wildnis von Maisäckern und von einer kleinen Hammel- 
und Schweineherde, die in den Bergen weiden, und von dem Erlöse, 
den die seltenen Reisepassanten bringen. 
Nach einer Stunde Ruhe ging es weiter. Endlich langt das 
Gefährt auf dem Hügel von Dragoman an. Die Straße verläßt 
den Bach, dessen Lauf sie bisher verfolgte, und erklimmt allmählich 
eine gewaltige Höhe in sehr steilen Krümmungen, welche den Pferden 
viele Mühe machen. Die Vegetation hört hier beinahe ganz auf, 
man sieht nur nackte, blutrote Felsen; nach allen Richtungen ist es 
trostlos und öde. Auf dem Gipfel des Gebirges machten wir Halt. 
So weit der Blick von diesem weiten Hochplateau reicht, nichts als 
ödes Brachland, nirgends Feld, nirgends Weide. Und nirgends nur 
die Spur einer Wohnung. Das Land ist verlassen, die Bevölkerung 
ist unsichtbar! Es ist wie in einer Wüste. 
Noch eine Stunde lang traben die ermüdeten Pferde bergab, 
dann liegt eine endlose Ebene vor dem Reisenden, die viele Kilometer 
lang und breit zn sein scheint. Sie ist flach, nackt, und kaum Kräuter 
wachsen darauf spärlich. Weder Baum uoch Haus ist sichtbar. Nur 
iu der Mitte, noch fern, uugeheuer fern, erhebt sich ein glänzendes 
Weiß: das ist Sofia! 
Um 6 Uhr abends erreichte ich Slivnicza. Von hier hat man 
noch gut vier Stunden bis Sofia. Wahrhaftig, die Pferde ebenso 
wie ich, bedürfen einer Stärkung. Aber die Pferde sind besser daran 
als ich. Sie finden Heu und Hafer, während ich in der elenden 
Zinzaren-Herberge in Slivnicza absolut nichts Menschenwürdiges er- 
halten kann. Gegen diese bulgarischen Ziuzaren - Herbergen sind die 
serbischen Mekauas wohleiugerichtete Hotels zu nennen. Lediglich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.