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II. Der Gewerbetreibende am eignen Herd.
und den Staat in ganz gewaltiger Weise. Durch die fortwährende
Zunahme der Trunksuͤcht wird ein Volk körperlich und geistig immer
mehr geschwächt; es entartet allmählich. Darunter leidet nicht nur die
Erwerbstätigkeit unsers Volkes, sondern auch die Wehrkraft. Alle ein—
sichtsvollen Männer haben erkannt, daß Deutschland auf politischem
und volkswirtschaftlichem Gebiete seine gegenwärtige Großmachtstellung
nur behaupten kann, wenn es gelingt, den Alkoholmißbrauch in hohen
und niedrigen Volksschichten mit Erfolg zu bekämpfen. Abgesehen von den
etwa 3 Milliarden Mark, die jetzt jährlich für geistige Getränke in
Deutschland größtenteils unnütz, ja, geradezu verderblich ausgegeben
werden, wird der Industrie, dem Handel und der Landwittschaft, nicht
weniger aber auch allen Ständen, die mit zu helfen haben am gesegneten
Fortbestande des Volkswohls eine solche körperliche, geistige und moralische
Stärkung und Kräftigung aus dem glorreich dürchgeführten Kampfe
gegen den Mißbrauch geistiger Getränke erwachsen, daß dann erst das
Wort des großen Deutschen der Neuzeit voll zur Wahrheit wird: „Wir
Deutschen fürchten außer Gott nichts auf der Welt.“
Mit ausdrücklicher, Genehmigung der Verfasser nach Dr. Dicke und Dr. Kohlmetz
„Die Schädlichkeit des Mißbrauchs geistiger Getränten
Im Wein und Bier ertrinken mehr als im Meer. — Alle Tage Bier und
Wein macht die großen Taler klein. — Saus und Braus hilft maänchem vom
Haus. — Trinken heißt sinken. — Durchs Wirtshaus ins Zuchthaus. — Canzen,
LKartenspiel und Wein reißen große Häuser ein. — Tanz und Gelag ist des
Teufels Feiertag. — Es gehen viele Wege nach Darbstadt und Mangelburg. —
Die Kart' und die Kanne machen zum armen Manne. Prozesse, Karten und
Wirtshaus bringen den Bettelsack ins Haus — Junge Spieler, alte Bettler. —
Spielen ist keine Kunst, aber aufhören. — Die Rarte weg, so gewinnst du. —
Mit runden Hölzern und viereckten Knochen ist schon manche Börse erbrochen.
— Wer spielt, der stiehlt. — Ein Dieb bricht in die Häuser, ein Spieler in die
Taschen, meistens in seine eigenen. — Ein Spiel Karten ist des Teufels Gebet—
buch — Im ersten Spiel einen Taler verloren, ist so gut als 10 Caler ge—
wonnen. — Lotteriezettel sind Eintrittskarten zum Wirtshaus.
Werde kein Trinker und Spieler!
66. Vom Branntweintrinken.
1. An der Entsittlichung und dem Elende vieler
Menschen, an der Fülle der Zucht-, Armen- und Krankenhäuser, an
der großen Zahl der Selbstmorde, am Ruine des Familienglückes, an
Armut und Bettelei, an Arbeitsscheu und Vagabundentum trägt zum
größten Teil das Branntweintrinken die Schuld. In
Deutschland wurden 1886 für 496 Millionen Mark Branntwein ver—
braucht, also 66 Millionen Mark mehr als für das Heer. Welches
Elend steckt in solcher Zahl! Auf den Kopf der Bevölkerung kommen
45 Liter Branntwein. 30/0 aller Geisteskranken haben ihr fürchter—
liches Leiden dem Branntweingenusse zuzuschreiben; 50 9/0 aller Ver—
armten sind Säufer und 70070 aller Verbrecher Trinker. Krieg, Cholera,
Seuchen und Pest richten viel Elend in der Welt an; aber der unendliche
und überall verbreitete Jammer, welchen das Laster der Trunksucht an⸗
richtet, ist größer; denn es verwüstet Leib und Seele. Dieser Feind des