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mit den Laudierten Borsten ward aufbehalten. Das Salzwerk ward die Sülze
genannt, und weil Lüneburg neben ihm einen namhaften Berg und eine treffliche
Brücke hat, die über den Fluß Ilmenau führt, so ward ein lateinischer Denk-
spruch auf diese drei Herrlichkeiten gedichtet, der gerade so anfängt, wie es in
einem auf die sieben Wunder von Jena lautet, nämlich: Nons, kons, pons.
Damit allein Mutwillen beiin Salzwerke gesteuert werde, wurde in Zeiten ein
Turin erbaut, welcher der weiße Turni hieß, aber seine weiße Farbe nicht wie
die Salzsau von Salzkrystallen erhielt; in diesen Turm legte man mutwillige und
boßhafte Sülzer und legte sie an eine große schwere Kette, und da hat sich der
Teufel auch in den Turm gelegt und hat darin herum rumort und hat alle
Nacht ein Maul voll davon abgebissen, welches ihm nicht schlecht muß bekommen
sein, denn schon vor mehr als hundert Jahren geschah Meldung vom weißen
Turme, daß er ganz zerfallen sei uud nur die große Kette noch gezeigt werde.
[21] Ludw. Bechstein.
119. Ato der Große und Hermann Mung.
Es war um das Jahr 940 nach Chr. G., da hütete nicht weit von Her-
mannsburg ein vierzehnjähriger Knabe die Herde seines Vaters aus der Weide.
Da kam ein prächtiger Zug von gewappneten Rittern daher gezogen, stolz zu
Roß. Der Knabe sieht mit Lust die blinkenden Helme und Harnische, die glän-
zenden Speere und die hohen Reitersleute an. Die aber biegen Plötzlich von
der sich krümmenden Straße ab und kommen querfeldein auf die Stelle zuge-
ritten, wo er das Vieh weidet; und das Feld ist doch keine Straße, und es
gehört doch seinem Vater! Er besinnt sich kurz, geht kühn aus die Ritter zu,
stellt sich ihnen in den Weg und ruft ihnen entgegen: „Kehret um; die Straße
ist ener, das Feld ist mein!" Ein hoher Mann, auf dessen Stirn ein majestä-
tischer Ernst thront, reitet an der Spitze des Zuges und sieht verwundert den
Hirten an, der es wagt, ihm entgegenzutreten. Er hält sein Roß zurück und
hat seine Freude an dem mutigen Knaben, der so kühn und furchtlos feinen
Blick erwidert und nicht vom Platze weicht. „Wer bist du, Knabe?" — „Ich
bin Hermann Billuugs ältester Sohn und heiße auch Hermann, uud dies ist
meines Vaters Feld; ihr dürft nicht hinüberreiten!"—„Ich will's aber, Knabe",
erwidert der Ritter mit drohendem Ernst; „weiche, oder ich stoße dich nieder!"
Dabei erhebt er den Speer. Der Knabe aber bleibt furchtlos stehen, sieht mit
blitzendem Auge zu dem Ritter hinauf und spricht: „Recht muß Recht bleiben,
uud ihr dürft nicht über das Feld reiten, ihr reitet denn über mich hinweg!"
„Was weißt du vom Recht, Knabe?" — „Mein Vater ist der Villung (Hüter
der Gesetze), und ich werde es nach ihm; vor einem Billung darf niemand das
Recht verletzen!" — Da ruft der Ritter noch drohender: „Ist denn das recht,
Knabe, daß du deinem Könige den Gehorsam versagest? Ich bin Otto, dein
König!" — „Ihr seid Otto, unser König, Deutschlands Hort uud der Sachsen
Zierde, von dem mein Vater uns so viel erzählt? Otto, Heinrichs des Sachsen
Sohn? Rein, ihr seid es nicht! Der König schützt das Recht, und ihr brecht
das Recht! Das thut Otto uicht, sagt mein Vater!" — „Führe mich zu deinem
Vater, braver Knabe!" antwortete der König, uud eine ungewöhnliche Milde
und Freundlichkeit erglänzte aus seinem ernsten Angesicht. — „Dort ist meines