Full text: Geographisches Quellenlesebuch der außereuropäischen Erdteile

wenigstens einzelne Renntiere gesehen hat, hält es für möglich, daß der 
Polarwolf, der von Norden her auf der Einwanderung in diese Gegend 
begriffen zu sein scheint, die Renntiere ausgerottet habe. Es ist durch¬ 
aus nicht unwahrscheinlich, daß diese Erklärung das Richtige trifft, 
einstweilen aber ist der Wolf noch nicht sehr zahlreich, und in anderen 
Gegenden können ja Wolf und Renntier nebeneinander leben, wenn 
man sich auch sehr wohl vorstellen kann, daß unschuldige Polartiere 
geraume Zeit brauchen, um sich vor einem neuen Feinde, wie dem Wolfe, 
fürchten zu lernen, und daß dieser gerade deshalb in der ersten Zeit 
einen richtigen Ausrottungskrieg gegen sie führen kann; daß der Mensch 
sie ausgerottet haben sollte, halte ich nicht für möglich; aber man kann 
sich vielleicht eine andere Möglichkeit denken, nämlich die, daß der 
Moschusochse, dessen Anzahl anscheinend zunimmt, das Renntier aus 
seinen Weidegründen verdrängt habe. Es ist ja auch nicht sicher, daß 
das Renntier wirklich ausgerottet ist; vielleicht hielt es sich nur in dieser 
Jahreszeit in entlegeneren Gebirgsgegenden auf, die wir nicht besucht 
haben. Was die Polarnatur vor allem anderen auszeichnet und ihr 
zugrunde liegt, sind natürlich die klimatischen Verhältnisse, und schon 
deshalb muß ich zuweilen auf sie zurückkommen, wenn auch die Tempe¬ 
raturverhältnisse nur in aller Kürze angeführt werden sollen. Rei Grön¬ 
lands bedeutender Längenausdehnung, die sich über etwa 23 ßreitengrade 
erstreckt, muß das Klima natürlich in den einzelnen Teilen sehr verschie¬ 
den sein. Doch kann man sagen, daß das grönländische Klima im Sommer 
in den südlichen Rreitengraden sehr kalt ist, was wohl zunächst von den 
kalten Polarströmen, denen man auf allen Seiten begegnet, herrührt. Der 
Winter dagegen ist in Süd-Grönland sehr mild; die folgende kleine Tabelle 
gibt über den Charakter des Klimas besser Aufschluß als es lange ße- 
schreibungen tun würden. Zur Vergleichung mit dem grönländischen Godt- 
haab, das auf 640 11 1 n. ßr. liegt, habe ich drei unmittelbar an der 
Küste auf ungefähr demselben ßreitengrade liegende Orte gewählt: St. 
Michaels in Alaska, Hudsonsund im nordamerikanischen Archipel, 
Christiansund in Norwegen. 
im kältesten Monat 
im wärmsten Monat 
im Jahre 
Godthaab 
— 10,0 0 
+ 6,80 
“ 1,9 0 
St. Michaels 
— 17,8 0 
+12,10 
— 3,0 0 
Hudsonsund 
— 3i,o 0 
+ 
CO 
M 
0 
— 12,8 0 
Christiansund 
+ 1,0° 
-j- i3,6 0 
+ 6,2 0 
' 17* 
259
	        
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