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„Nieder mit Guizot!" Paris in Waffen.
katholischen Partei nach Italien. Auch die Waldstätte und Wallis unterwarfen sich. Die
Sieger forderten eine große Summe als Kriegsentschädigung, lösten den Sonderbund und
alle bisherigen Regierungen desselben auf und ließen neue radikale Regierungen wählen.
NeufchLrel, welches den Krieg nicht hatte mitmachen wollen, wurde um 300,000 Franken
bestraft.
Die Februarrevolution.
Das Wählerkomitee des 12. Pariser Wahlkreises veranstaltete ein Bankett, zu welchem
fast alle Mitglieder der Opposition die Einladung annahmen. Auch die Republikaner, sowohl
die gemäßigten, welche in der Presse durch den National vertreten waren, als die sozialisti¬
schen, die Reste der aufgelösten geheimen Gesellschaften, beschlossen, sich an der Bewegung zu
beteiligen. Da in dem Festprogramm die Nationalgarde zur Aufrechthaltung der Ordnung
beim Bankett aufgefordert wurde, verbot die Polizei das ganze Bankett und Thiers bewog
nun die meisten Mitglieder der Opposition wegzubleiben: nur wenige, unter ihnen der Dichter
Lamartine, erschienen am festgesetzten Tage, den 22. Februar 1848. Da rückten die Truppen
aus, jagten das zusammenströmende Volk da uud dort auseinander und zerstörten Barri¬
kaden, die man auszuwerfen begonnen hatte. Bedenklicher aber gestalteten sich die Dinge am
folgenden Tage. Die Nationalgarde mit Ausnahme der ersten Legion schloß sich der Be¬
wegung an. Der Ruf: „Es lebe die Reform! Nieder mit Guizot!" ertönte aus ihren
Reihen; sie sandte Deputationen an den König und dieser entschloß sich endlich, Guizot zu
entlassen und den Grafen Mole mit der Bildung eines neuen Ministeriums zu beauftragen.
Reitende Adjutanten und Stabsoffiziere verbreiteten die Kunde von dem Ministerwechsel nach
allen Teilen der Stadt, während Guizot selbst in der Kammer die Nachricht mitteilte. Ganz
Paris jubelte. Aus den Fenstern wehten Tücher, das Schießen hörte auf und die Menge
wogte Arm in Arm mit der Nationalgarde durch die Straßen. Die Linientruppen riefen
ihnen zu: „Jetzt ist alles vorbei!" Der Ruf: „Nieder mit Guizot!" wechselte mit dem
Ruse: „Es lebe die Reform! Es lebe die Nationalgarde! Es lebe die Linie!" Doch blieben
die bedeutendsten Barrikaden, andere wurden noch mehr befestigt.
Am Abend war die ganze Stadt wie bei einem Volksfeste illuminiert. Aber um 10 Uhr
änderte sich die ganze Szene. Unter Trommelwirbel und dem Gesang der Marseillaise mit
wehenden Fahnen und Fackeln, erschien eine Schar von 2000 Arbeitern aus den Vorstädten in
guter Ordnung auf dem Boulevard des Italiens. Eine kleinere Kolonne, die Bande des Repu¬
blikaners Lagrange aus Lyon, lauter Blousenmänner, schloß sich ihnen an, ein Mann mit
einer roten Fahne voraus. So zogen sie zur Wohnung Guizots. Dort sperrte ein im Carre
aufgestelltes Bataillon des 14. Linienregimentes den Weg. Die Vordersten gingen auf dasselbe
los, wurden aber, nachdem zuerst ein Schuß gefallen war, mit einer Gewehrsalve empfangen
und mehr als 50 stürzten tot oder verwundet nieder. Da erhob sich ein furchtbarer Lärm;
die Lampen erloschen, die Sturmglocken ertönten, von allen Seiten strömten Bewaffnete herbei,
das Pflaster wurde aufgerissen und der Ruf: „Man mordet das Volk, zu den Waffen
Bürger! Rache! Rache!" erscholl überall. Am Morgen des 24. Februar war ganz Paris
in Waffen und mehr als 1000 Barrikaden erhoben sich in den Straßen. Indessen hatte
Mole dem König erklärt, er körnte kein Ministerium bilden; daher berief Louis Philipp um
Mitternacht Thiers in die Tuilerien. Thiers erklärte sich zur Bildung des Ministeriums
bereit. Nach einigem Zögern willigte der König ein, daß er sich Odilon Barrot beigeselle,