fullscreen: Für Klasse 2 (neuntes Schuljahr) und die Obertertia der Studienanstalten (Teil 8, [Schülerband])

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Bauernmädchens waren blaß geworden, aber sie stand fest und heftete 
den Vlic! voll Zuversicht unverwandt auf den Geistlichen. 
„Ihr werdet's vielleicht Bindern und Enkeln noch erzählen," sprach 
der Pfarrer, „daß der 14. Juli 1760, ein Tag der Angst, euer Hoch¬ 
zeitstag war. Da, werdet ihr sagen, war kein lustiger Tanz, kein 
fröhliches Schmausen, die Franzosen spielten zur Hochzeit auf im tiefsten 
Baß, und den Spielleuten selber brachte es wohl gar den Tod. Aber 
Heil euch, wenn ihr dann hinzufüget: In Sorgen begannen wir den 
Ehestand, darum ist es nachgehends so hell und fröhlich geworden in 
unserem Hause. Zuerst erkannten wir die schweren Pflichten des eigenen 
Herdes, dann schmeckten wir dessen stille Süßigkeit. Stehet fest! Kummer 
und Trübsal sind groß, aber ein treues Weib macht uns eitel Freude 
daraus." 
Der Stadtpfeifer hatte aufgehorcht bei diesen Worten. Er war 
ernst von Aussehen und doch eine leicht gefugte Seele, bei der es gar 
flink von einer Tonart in die andere überging. Wer von der Musik 
leben muß, der wird das rasche Modulieren gewöhnt. So verließ ihn 
auch bei dieser Ansprache plötzlich das qualvolle Zagen. Er blickte 
auf seine Christine, wie sie so mutig dastand, und eine helle Freude 
durchleuchtete sein Gemüt; und weil just die Kanonen doppelt stark 
brummten, war es ihm, als sei er ein Fürst, und als donnerten da 
draußen die Iubelsalven, weil der Priester Christinens Hand in die 
seine legte. 
Als der Hochzeitzug die Kirche verließ, schwirrte und summte schon 
das ganze Dorf wie ein gestörter Bienenstand. Ganz Ebersbach war 
vor Schreck toll geworden. Es waren Frohnhäuser Fuhrleute gekommen, 
die erzählten, heute noch müsse das Dillenburger Schloß fallen; morgen 
stünden die Franzosen in Ebersbach; denn auch General Chabot rücke 
jetzt von Siegen und Graf Guerchy von Hachenburg gegen die Dill 
herab — da werde es Einquartierung geben, Erpressung, Plünderung —, 
wenn man so einem verfluchten Franzosen nicht die Perücke mit Gold¬ 
staub pudere, die Stiefel mit Mandelöl schmiere und das Gewissen mit 
Krontalern, dann schlage er das ganze Haus zusammen. 
Auf diese Botschaft hin gingen die wenigen Hochzeitgäste durch, 
ohne Abschied, als wären sie nicht bloß Nassau-Oranier, sondern wirk¬ 
liche ganze Holländer gewesen. Und wenn sie sich nun auch gewaltsam 
zum Schmause niedergelassen hätten! Die Stühle würden mit ihnen 
davongelaufen sein, so wirbelte die Angst in den armen Teufeln.
	        
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