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Vespasianus 69 — 79.
Unabhängigkeit zu versuchen? Wie sollten besonders die Anführer nicht ans
den Gedanken kommen, wie die römischen Offiziere als Helfer zum Umstürze
tyrannischer Herschaften Rang und Reichtum zu gewinnen trachteten, auch
ihrerseits durch Abschüttelung des Jochs in ihren heimischen Stämmen fürst¬
liche Ehre zu erwerben? Es war eine notwendige Folge der Ereignisse im
Römerreich, wenn wir, noch ehe Vespasian sich auf dem Throne festsetzte, einen
Krieg von Germanen gegen die Römer ausgebrochen finden. Seit
Drusus hatten trotz mancher Bedrückung die Bataver den Römern die treu¬
sten und nützlichsten Dienste, zuletzt in Britannien, geleistet. Aus ihnen
stammte Julius Civilis, wegen tapfererThaten in das römische Bürgertum
ausgenommen. Auf die falsche Anklage, daß er Empörung beabsichtige, hatte
der Legat Fonteius Capito seinen Br. Paulus hinrichten lassen und ihn
in Ketten zu Nero gesandt H. Durch Galba befreit, sah er sich von dem Heere
des Vitellius bedroht, das seine Hinrichtung begehrte. Die Rücksicht auf acht
Cohorten feiner Landsleute, welche sich von der vierzehnten Legion getrennt
hatten und im Gebiet der Lingonen standen, hatte ihn ans der Gefahr ge¬
rettet^). Jene Cohorten hatten Vitellius auf feinem Zuge begleitet, waren
aber dabei wie in Italien mit Legionssoldaten in Streit geraten und nach Ger¬
manien zurückgesendet worden3). Von dort rief sie jedoch Vitellius, als der
Kampf gegen Vespasianus bevorstand, von neuem nach Italiens. Das Er¬
lebte und das neue Hin - und Herziehen muste sie zum Aufstand geneigt machen
und diesen hatte Civilis bereits begonnen. Da von Vitellius eine Recrutie-
rung bei den Batavern anbefohlen war und das Volk die von den Beamten
dabei gewöhnlich geübten Bedrückungen fürchtete, so beredete er die vornehm¬
sten und entschlossensten in einem Heiligtum und verpflichtete sie feierlich zum
Aufstand. Klüglich erklärte er sich für Vespasianus, für den zu wirken ihn
Antonius Primus und heimlich auch Hordeonius Flaeeus aufgefordert hatten.
Die Caninefaten erhoben auf seine Aufforderung den tollkühnen Brinno
zum Heerführer, überfielen und nahmen zur See anlandend das Winterlager
zweier römischen Cohorten und breiteten sich drohend weiter aus. Noch suchte
Civilis unter dem Vorgeben der Treue die Römer zu unklugen Schritten zu
verleiten, stellte sich aber dann mit den Batavern an die Spitze der Feinde
und gewann, da die den Römern zugereihten Germanen mitten im Kampfe
übertraten, einen Sieg, welcher nicht nur Waffen und Schiffe in feine Gewalt
brachte, sondern ihm auch Beistand von den überrheinischen Germanen ver¬
schaffte und die Möglichkeit Gallien zum Aufstand zu bewegen eröffnete. Hor¬
deonius Flaeeus, obgleich er Civilis Absichten, weil er sie für Vespasianus
gefaßt glaubte, anfangs gefördert hatte, sah sich,, doch genötigt den Legaten
Munius Lupercus auszusenden, aber der Übergang einer Batavischen
Reiterala , die bis jetzt Treue geheuchelt hatte, und die Flucht der Ubier und
Treverer nötigten die Legionen sich nach Castra wieder zurückzuziehn. Die
Cohorten, welche auf dem Marsche nach Rom bis Mogontiacum (Mainz) ge¬
langt waren, machten sich auf Civilis Botschaft auf den Weg nach der Heimat,
die sie, nachdem sie den von Flaeeus zum Angriff aufgeforderten, dann aber
im Stich gelaffnen Herennius Gallus bei Bonna (Bonn) geschlagen, glücklich
erreichten. Da die Legionen in Castra vetera seine Aufforderung sich für
1) Tac. h. IV 13. — 2) Tac. h. I 59. — 3) Tac. h. I 59. 64. II 27. 66. 69.
— 4) Die Identität der Cohorten wird aus Tac. h. 15. 19. 20 klar. Wenn ich
nicht irre, ist auch Meyer: der Freiheitskrieg der Bataver. Hamburg 1856. meiner
Ansicht. Die Abhandlung ist mir augenblicklich nicht zur Hand.