Full text: Der dreißigjährige Krieg

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wie über euch fliegende Drachen, zerreißende Baren und Löwen gekommen 
sind, die eure Städte ausgebrannt, eure Ernten, Ochsen und Schafe vor 
euren Augen verzehrt, viele tausend Bürger und Bauern zu Todte gemar¬ 
tert, ausgeschnitten, das Herz aus dem Leibe gerissen, Ohren, Nasen, Zun¬ 
gen abgeschnitten und so barbarisch gehaust haben, daß aller Menschen 
Sinne es nicht begreifen können. Wie jämmerlich stehen eure Städte 
und Flecken; da liegen sie verbrannt, zerstört, daß weder Dach, Gesparr, 
Thüren oder Fenster zu sehen sind. Wie sind sie mit den Kirchen umge¬ 
gangen ! — sie haben sie verbrannt,zu Pferdeställen gemacht und den Mist 
auf die Altäre gelegt. Ach Gott, wie jämmerlich sieht es auf den Dör¬ 
fern aus! Man wandert oft 10 Meilen und siehst nicht einen Menschen, 
nicht ein Vieh, nicht einen Sperling. In allen Dörfern sind die Häuser 
voller Leichname; Mann, Weib, Kinder, Gesinde, Pferde, Schweine, 
Kühe und Ochsen, neben und unter einander, von Pest und Hunger er¬ 
würgt, voller Maden und Würmer, und von Wölfen, Hunden und Krähen 
gefressen, weil Niemand ist, der sie begraben hat. Ihr wisset, wie die 
Lebendigen sich unter einander in Kellern und Winkeln zerrissen, todtge- 
schlagen und gegessen haben; daß Aeltern ihre Kinder und Kinder ihre 
tobten Aeltern gegessen, daß Viele um einen tobten Hund oder Katze ge¬ 
bettelt und das Aas aus den Schindergruben genommen und verzehret 
haben." 
Lange, lange noch, nachdem die Schweden in ihr Vaterland zurück¬ 
gekehrt waren, schaukelte der Vater, oder die Mutter das Söhnlein mit den 
Worten auf den Knieen: „Der Schwede ist gekommen, hat Alles mitge¬ 
nommen." Und wo man ein zerstörtes Schloß, oder eine in Schutt lie¬ 
gende Stadtmauer erblickte, hieß es: „Das haben die Schweden gethan !" 
Ein Friede, der solch einem Greuel ein Ziel setzte, war eine Freudenbot¬ 
schaft für ganz Deutschland. 
VII. Der westphalische Friedensschluß. 
Schon lange vor dem Jahre 1648 gab sich eine allgemeine Sehn¬ 
sucht nach Frieden kund. In allen Gauen Deutschlands vernahm man 
schon im Jahre 1636 den heißen Wunsch, die Schwerter ruhen und die 
Geschütze verstummen zu lassen. Der Kaiser Ferdinand III., der seit 
1637 Deutschlands Geschick mit in den Händen hatte, zeigte sich zu Er¬ 
füllung dieses Wunsches geneigt. Selbst der Papst rieth hierzu und der 
König Christian IV. von Dänemark bot alle Mittel auf, das Friedenswerk 
mit zu fördern. Im Jahre 1638 fanden sich sogar österreichische Ge¬ 
sandte in Köln ein, um den Frieden zum Abschluß zu bringen, aber Frank¬ 
reich, das von den Kriegsstürmen in Deutschland Vortheil ziehen wollte, 
schickte lange keine Bevollmächtigten und als dies endlich doch noch geschah, 
begaben sich diese nicht nach Köln, sondern nach Hamburg. Auf diese 
Weise verstrich nutzlos ein Jahr nach dem andern, und das unglückliche 
Deutschland seufzte immer lauter unter dem blutigen Joche roher Kriegs¬ 
horden.
	        
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