und unter dein Scheine einer Verwendung für eine Anverwandte
geht sie zu dem Deputirten Barbaroux, um im Gespräche seine
Gesinnungen zu prüfen.^) Dann schritt sie zur Ausführung
und reiste nach Paris, indem sie gegen ihren nichtsahnenden Va¬
ter vorgab, nach England auswandern zu wollen. Sie fühlte
sich so wenig von der Schwere ihres Vorsatzes belastet, sie war
ihrer Sache und ihres guten Erfolgs so sicher und legte für den
Fall des Mißlingens so wenig Werth auf das Leben, daß sie
unterwegs im Postwagen ihren Ncisegefährten sogar Fröhlichkeit
zeigte. — Den ersten Tag nach ihrer Ankunft benutzte sie zur
Ausrichtung mehrerer Aufträge, die sie übernommen hatte; am
andern Morgen kaufte sie, mit der gleichgültigsten Miene, im
Palais Royal das Messer, welches sie in Marat's Brust stoßen
wollte. Sie hoffte dieses im Convente auf dem Gipfel des Ber¬
ges, mitten unter seinen Genossen thun zu können, aber die
Wache wies sie vom Versammlungssaqle zurück. Nun ließ sie
sich bei Marat mit Ueberbringung eines Schreibens melden,
worin sie ihn um einen Augenblick Gehör bat. „Bürger, ich
komme von Eaen; Ihre Liebe für's Vaterland läßt mich voraus¬
setzen, daß Sie gern die unglücklichen Ereignisse in diesem Theile
der Republik werden kennen wollen. Ich werde zu Ihnen kom¬
men. Haben Sie die Güte, mich anzunehmen und mir eine
kurze Unterredung zu gönnen. Ich werde Sie in den Stand
setzen, Frankreich einen großen Dienst zu leisten." Marat aber,
den seine Haushälterin mit einem Bedenken gegen die Bittstelle¬
rin erfüllt, läßt sie abwcisen. Abends erhält er ein zweites
Schreiben. „Marat, ich habe Ihnen diesen Morgen geschrie¬
ben; haben Sie den Brief erhalten? Ich kann es nicht glauben,
weil man mir Ihre Thüre verschlossen hat. Ich hoffe, daß Sie
mir morgen eine Zusammenkunft bewilligen werden. Ich wie¬
derhole es, ich komme von Caen; ich habe Ihnen Geheimnisse
*) Als spater der Ruf ihrer That und ihres Todes Frankreich erfüllte,
erinnerte sich der Deputirte Louvet, (einer der oben Erwähnten, die
glücklich entkamen), daß auf der Intendanz, wo er mit den anderen
Vertriebenen wohnte, mehrere Mal eine Jungfrau von hoher Gestalt
und einer Schönheit, in welcher Kühnheit und Milde wunderbar gemischt
waren, in Begleitung eines Bedienten im Vorsaale auf Barbaroux
gewartet hatte. Es war Charlotte Corday gewesen.