Full text: Die deutsche Geschichte

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mächern mit den heftigsten Schmähungen. Als ein National- 
gardist einen auf die Brust des Königs gerichteten Pikenstoß 
mit dem Zuruf abwehrte: „Fürchten Sie nichts, Sire," er¬ 
greift Ludwig seine Hand und legt sie sich mit den Worten 
aus die Brust: „Das Gewissen eines ehrlichen Mannes ist 
ruhig, und mein Herz schlägt wie gewöhnlich." Ein Kerl 
ging in seiner Frechheit so weit, dem König eine rote Ja- 
kobinermütze zuzuwerfen, und der Monarch, um das Volk 
nicht zu reizen, bedeckte sich damit; ein anderer reichte ihm 
seine Flasche und nötigte ihn, auf das Wohl der Nation 
daraus zu trinken. Übrigens zeigte der König bei diesem 
Auftritt die unerschütterlichste Ruhe, und der Zweck des Auf- 
ruhrs wurde nicht erreicht. Endlich erschien der Maire Pethion 
und belobte das tugendhaste Volk wegen der Weisheit und 
Würde, mit der es dem Könige seine Wünsche vorgetragen 
habe, woraus sich denn gegen 10 Uhr abends der Pöbel 
völlig _ verlief. 
Über das Mißlingen dieses Versuches waren die Ja- 
kobiner ergrimmt und beschlossen, einen neuen Sturm zu er- 
regen, um den Sturz des Königs herbeizuführen. Zu diesem 
Zwecke hatten sie noch einen Haufen nichtswürdigen Gesindels 
ans Marseille nach Paris kommen lassen, die unter dem Na¬ 
men der Föderirten (Verbündeten) ihren Einzug hielten. Am 
10. August 1792 strömte eine ungeheure Menge von Ge¬ 
sindel gegen das Schloß der Tuilerien. Der König schwebte 
mit seiner Gemahlin in augenscheinlicher Lebensgesahr und 
ließ sich endlich bewegen, in die Nationalversammlung zu 
fliehen, um hier Schutz und Zuflucht vor dem wütenden Pöbel 
zu suchen. Unter den heftigsten Verwünschungen und Dro- 
Hungen des Pöbels, der wiederholt schrie: ,,Nieder mit dem 
Tyrannen! Nieder mit dem Vielfraße, der jährlich 25 Mil¬ 
lionen verschlingt!" kamen die erlauchten Flüchtlinge bleich 
und entstellt in der Nationalversammlung an. Beim Eintritt 
sagte der König mit Würde: ,,Meine Herren, ich komme, um 
Frankreich ein großes Verbrechen zu ersparen." Man nahm 
ihn jedoch ohne alle Teilnahme aus und wies ihm und seiner 
Familie die Loge eines Zeitungsschreibers an, wo er die 
Beratungen der Versammlung über seine Absetzung mit an¬ 
hören mußte. Inzwischen erstürmte das erbitterte Volk die' 
Tuilerien, wobei die Schweizergarde nach der heldenmütigsten
	        
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