Full text: Erzählungen aus der Geschichte alter und neuer Zeit

Der trojanische Krieg. 
33 
ihn gefunden, so trieben sie die schnaubenden Rosse an und warfen, 
wenn sie ihm nahe gekommen, den Speer, daß die Spitze der Lanze 
oft durch die ehernen Rüstungen hindurchdrang oder am Erze des 
Panzers sich krümmte. Oft mußte, wenn die Speere zerbrochen wa¬ 
ren, ein schwerer Feldstein die Waffe sein, mit der sie ihren Gegner 
darnieder streckten, oder sie griffen, im Treffen geübt, zum Bogen und 
schnellten die nie fehlenden Pfeile aus der Ferne gegen den heranspren¬ 
genden Feind oder den flüchtigen. Auch kam es vor, daß Männer sich 
trafen, deren Väter Gastfreunde gewesen waren; dann erlosch die 
Flamme der Feindschaft in der Heldenbrust, sie sprangen vom Wagen 
und' schüttelten einander die Rechte und schieden in Frieden, denn sie 
ehrten der Väter Gastfreundschaft, tauschten sogar, zum Zeichen der 
werthgehaltenen Freundschaft, ihre Rüstungen und suchten dann jeder 
für seine Kraft und seine Siegeslust sich andere Feinde. 
Der tapferste Held unter den Griechen, wie viele der Tapfecn 
auch genannt werden, war Achilles; in Troja aber war es Hector, 
des Königs Priamus Sohn, ein Bruder des Paris. Als Hector nach 
mehrjährigem Kampfe einst auszog zur Schlacht, trat ihm seine Gattin 
Andromache entgegen, ergriff seine Hand und sprach: „Trautester, ach, 
dich tobtet noch dein Muth. Bleib doch einmal bei uns, erbarme dich 
deines unmündigen Kindes und deines elenden Weibes. Wenn ich 
dich verliere, wer soll mich schützen? Meine Mutter ist gestorben, mei¬ 
nen Vater und sieben Brüder hat Achilles erschlagen und du gehst 
nun auch von mir, da die Griechen schon unsere Mauern bestürmen. 
O, bleibe doch hier!" — „Liebes Weib, erwiederte Hector, wie kann 
ich's? ruht nicht auf mir die Rettung der Stadt und hoffen nicht alle 
auf mich? müßt' ich nicht vor den Weibern mich schämen, wenn sie 
mich unter den Zuschauern auf der Mauer erblickten? Wohl sagt mir 
mein Geist, kommen wird einst der Tag, da Troja in Asche versinkt 
und des Priamus edles Geschlecht erlischt; doch zum Kampfe hinaus 
muß der Mann." Von der Gattin hinweg auf sein Kind wandte er 
dann seinen Blick und streckte die Arme aus nach dem zarten Knaben; 
aber das Kind fürchtete sich vor dem Helmbusche des Mannes, denn 
es kannte den Vater nicht, und drückte sein Köpfchen fest an den Bu¬ 
sen der Dienerin, die es trug. Da legte Hector seinen Helm auf die 
Erde und schaute freundlich auf seinen Liebling, und der Knabe folgte 
ihm willig in seine Arme. Mit herzlicher Vaterfreude umschloß ec das 
Kind und küßte es und wandte den Blick zum Himmel empor und 
flehte: „Gütige Götter, gewährt mir das Eine: laßt dies mein Knäb- 
lein stark und brav werden, daß es dem Volke ein tapfrer Hort sei 
und daß man sage: der übertrifft noch den Vater. Deß müsse dann 
2>*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.