Der trojanische Krieg.
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ihn gefunden, so trieben sie die schnaubenden Rosse an und warfen,
wenn sie ihm nahe gekommen, den Speer, daß die Spitze der Lanze
oft durch die ehernen Rüstungen hindurchdrang oder am Erze des
Panzers sich krümmte. Oft mußte, wenn die Speere zerbrochen wa¬
ren, ein schwerer Feldstein die Waffe sein, mit der sie ihren Gegner
darnieder streckten, oder sie griffen, im Treffen geübt, zum Bogen und
schnellten die nie fehlenden Pfeile aus der Ferne gegen den heranspren¬
genden Feind oder den flüchtigen. Auch kam es vor, daß Männer sich
trafen, deren Väter Gastfreunde gewesen waren; dann erlosch die
Flamme der Feindschaft in der Heldenbrust, sie sprangen vom Wagen
und' schüttelten einander die Rechte und schieden in Frieden, denn sie
ehrten der Väter Gastfreundschaft, tauschten sogar, zum Zeichen der
werthgehaltenen Freundschaft, ihre Rüstungen und suchten dann jeder
für seine Kraft und seine Siegeslust sich andere Feinde.
Der tapferste Held unter den Griechen, wie viele der Tapfecn
auch genannt werden, war Achilles; in Troja aber war es Hector,
des Königs Priamus Sohn, ein Bruder des Paris. Als Hector nach
mehrjährigem Kampfe einst auszog zur Schlacht, trat ihm seine Gattin
Andromache entgegen, ergriff seine Hand und sprach: „Trautester, ach,
dich tobtet noch dein Muth. Bleib doch einmal bei uns, erbarme dich
deines unmündigen Kindes und deines elenden Weibes. Wenn ich
dich verliere, wer soll mich schützen? Meine Mutter ist gestorben, mei¬
nen Vater und sieben Brüder hat Achilles erschlagen und du gehst
nun auch von mir, da die Griechen schon unsere Mauern bestürmen.
O, bleibe doch hier!" — „Liebes Weib, erwiederte Hector, wie kann
ich's? ruht nicht auf mir die Rettung der Stadt und hoffen nicht alle
auf mich? müßt' ich nicht vor den Weibern mich schämen, wenn sie
mich unter den Zuschauern auf der Mauer erblickten? Wohl sagt mir
mein Geist, kommen wird einst der Tag, da Troja in Asche versinkt
und des Priamus edles Geschlecht erlischt; doch zum Kampfe hinaus
muß der Mann." Von der Gattin hinweg auf sein Kind wandte er
dann seinen Blick und streckte die Arme aus nach dem zarten Knaben;
aber das Kind fürchtete sich vor dem Helmbusche des Mannes, denn
es kannte den Vater nicht, und drückte sein Köpfchen fest an den Bu¬
sen der Dienerin, die es trug. Da legte Hector seinen Helm auf die
Erde und schaute freundlich auf seinen Liebling, und der Knabe folgte
ihm willig in seine Arme. Mit herzlicher Vaterfreude umschloß ec das
Kind und küßte es und wandte den Blick zum Himmel empor und
flehte: „Gütige Götter, gewährt mir das Eine: laßt dies mein Knäb-
lein stark und brav werden, daß es dem Volke ein tapfrer Hort sei
und daß man sage: der übertrifft noch den Vater. Deß müsse dann
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