Die Gallier in Rom.
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Untergang der Stadt nicht überleben. Die Feinde kamen, nachdem sie
die Gegend umher verwüstet hatten, nach Rom. Die Stadt fanden
sie leer; die Hauser verschlossen und überall eine Todtenstille; nur dro¬
ben auf der Burg regte si'ch's. Auf dem Markte angelangt, erblickten
sie jene achtzig Greise, die unbeweglich auf ihren Thronen saßen, mit
Feierkleidern angethan. Die Fremden wußten nicht, ob dies Todte
oder Lebende, ob es Menschen seien oder Götter, die zur Rettung der
Stadt hernieder gestiegen waren. Als aber ein Gallier hinzutrat und
den weißen Bart des Einen berührte, da erhob der Römer zornent-
glüht sein elfenbeinernes Scepter, das er in der Hand hielt, und schlug
damit den Fremdling über den Kopf. Sogleich drangen die Barbaren
auf den Greis ein, hieben ihn nieder und auch die andern Greise alle
wurden umgebracht, freiwillig hatten diese Edlen ihr Leben den unter¬
irdischen Göttern geweiht. Darauf wurden die Häuser erbrochen und
geplündert; die Flammen verzehrten die Stadt. Nun begann die Be¬
lagerung des kapitolinischen Berges, der schwer zugänglich war. Man
hoffte, die Besatzung durch Hunger zur Uebergabe zu zwingen. Da
trat ein Mann, der früher aus der Stadt verbannt war, als Netter
auf. Es war Camillus. Das Volk erwählte ihn zum Anführer.
Sollte er jedoch nach den bestehenden Einrichtungen des Staats, die auch
in den Tagen der Bedrängniß festgehalten wurden, volle Macht besitzen
und unumschränkt walten dürfen, so mußte der Senat zuvor seine Würde
anerkennen. Die noch übrigen Senatoren befanden sich aber auf dem
kapitolinischen Berge und wie sollte man zu diesem, der vom Feinde
besetzt war, gelangen? Ein beherzter Römer wagt es, durch die Tiber
zu schwimmen, dann durch die Posten der Gallier zu schleichen, und
auf einem verborgenen Pfade das Kapitol zu erklimmen, um die Zu¬
stimmung des Senats zur Wahl des Camillus als obersten Feldherrn
zu erlangen. Glücklich gelangte er unter dem Schutze der Nacht auf
den Berg und erhielt, was er begehrte. Am nächsten Morgen bemerk¬
ten einige Gallier, daß hie und da Strauchwerk aus den Ritzen zwi¬
schen den Steinen herausgerissen sei, als ob sich Jemand daran hätte
festhalten wollen; sie sahen, daß Grasbüschel herabgestoßen waren, als
ob Jemand den Berg hinaufgeklettert wäre, und sie vermutheten, daß
von hier aus die Höhe sich erklimmen lasse. Als die Mitternacht her¬
ankam, versuchten sie, an dieser Stelle den Berg zu ersteigen. Die
Besatzung droben ahnete nichts von diesem Ueberfa^lle; die Wachen
schlummerten, und schon waren die ersten Gallier auf der Höhe des
Felsens, selbst durch kein Hundegebell verrathen, als plötzlich die heili¬
gen Gänse, welche zu Ehren der Göttin Juno gehalten wurden, durch
das Geschnatter die Andringenden verriethen. Der Römer Marcus
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