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Wilhelm I.. der Große (1861-1888). 111
glaubte nur noch die ersten Anfänge der neuen Ordnung erleben ZU
können. Aber sein Leben reichte über die gewöhnliche Altersgrenze
hinaus- noch siebzehn Jahre war es Deutschland vergönnt, unter seiner
Herrschaft zu stehen. Sein frommes, hoheitsvolles, schlichtes und gütiges
Wesen trug zur Stärkung der deutschen (Einheit viel bei.
Durch schwere Kriege mußte das neue Reich begründet werden;
nun hielt es der Kaiser für seine Pflicht, dem deutschen Volke den
Frieden zu wahren, wie oft auch Frankreich mit einem Vergeltungs¬
kampf drohte. Zum Schutz gegen Angriffe wurde das deutsche Heer
bis auf 3 Millionen geübte Soldaten erhöht. Stolz konnte der Reichs-
Kanzler Fürst Bismarck, als wieder einmal ein Krieg drohte, im Reichs¬
tag erklären: „Wir Deutschen fürchten Gott, sonst aber nichts in der
Welt." Auch durch ein Bündnis mit Österreich und Italien hielt der
Kaiser den Frieden aufrecht.
3m neuen Deutschen Reiche blühten (Bewerbe und Handel kräftig
empor. Auch der deutsche Seehandel wuchs zusehends. Nun gründete
das Deutsche Reich auch Kolonien, d. h. Niederlassungen in andern
Erdteilen. Noch unter Wilhelms I. Regierung wurden in Afrika und
Australien solche Gebiete für Deutschland gewonnen. Zum Schutz der
deutschen Handelsschiffe und Kolonien wurde eine größere Zahl von
Kriegsschiffen gebaut.
Zur Förderung der deutschen (Einheit wurden Gesetze, Gewichte,
Maße und Münzen geschaffen, die in allen Staaten des Deutschen
Reiches galten. Auch die (Einrichtungen der Reichspost und der deutschen
(Eisenbahnen trugen dazu bei, die deutschen Stämme einander näher zu
bringen.
(Eine seiner Hauptaufgaben sah der volksfreundliche Herrscher in
der Fürsorge für den Arbeiterstand. Die (Erfindung der Maschinen hatte
das Leben der Arbeiter einförmiger und gefahrvoller und die Arbeiter
deshalb unzufrieden gemacht. Gewissenlose Volksverführer reizten sie
auf, sich mit Gewalt, durch Umsturz der bestehenden Staatsordnung, zu
helfen, verbrecherische Menschen machten sogar den versuch, den greisen
Kaiser zu ermorden. Durch einen solchen Mordanschlag wurde der
Kaiser schwer verletzt und monatelang ans Krankenlager gefesselt. (Er
ließ sich trotzdem nicht verbittern. Sein eifrigstes Bemühen war fortan,
die Ursachen berechtigter Klagen zu beseitigen und durch weise Gesetze
den Arbeitern bei Krankheit, Unfällen und im Alter Hilfe zu gewähren.
3n dieser Fürsorge für den Arbeiterstand ging das Deutsche Reich allen
andern Staaten voran.
Km 27. März 1887 feierte das deutsche Volk das neunzigste Geburts-