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Attika.
Der- Geschichtschreiber Herodotos.
Ilerodotos ist geboren zu Ilalikarnassos in Karien, aus her¬
vorragendem Gescldechte, etwa um das Jahr 485 v. Chr. Durch
den Verkehr in der reichen Handelsstadt und ohne Zweifel noch
mehr durch den bildenden Einfluss seines Verwandten, des Epikers
Panyasis Verf. einer Ileraklee wurde schon früh in ihm das Interesse
an fremden Ländern und Völkern geweckt, und sein Geist auf die
Erforschung der Thaten der Vorzeit hingelenkt.
Von seinem äussern Lebensgange ist Weniges bekannt, wichtig
aber seine Verbannung aus der Vaterstadt durch den Tyrannen
Lygdamis, einen Enkel der von ihm so gefeierten Königin Artemisia.
Der Flüchtling nahm seinen ständigen Wohnsitz auf Samos, durch¬
zog aber von da aus mit muthvoller Beharrlichkeit und in klar-
bewusstem Eifer für sein beabsichtigtes Werk fast die ganze, den
Hellenen damals zugängliche Welt nach den verschiedensten Rich¬
tungen. Ausser seinem Vaterlande Kleinasien, in dessen westlicher
Hälfte er ohne Zweifel alle grossem Städte besucht hat, kennt er
aus eigner Anschauung wohl sämmtliche Landschaften des euro¬
päischen Griechenland, dazu sogar Epeiros, Makedonien und Thra¬
kien, und ferner die Inseln des östlichen Mittelmeeres. Ausserhalb
der Hellenenwelt zog er östlich in das Innere des Perserreiches
auf der grossen Königsstrasse von Ephesus bis über Susa hinaus;
längere Zeit muss er namentlich in Babylon und Agbatana verweilt
haben. Weiter segelte er südlich die syrische Küste entlang über
Tyros nach Aegypten, wo er den Nil bis an die Katarakten (bei
der Landesgrenze, der Insel Elephantine) hinauffuhr und ausser¬
dem in zahlreichen Städten geraume Zeit verweilend das Wunder¬
land auch durch den Mund gelehrter Priester allseitig zu erkunden
suchte. Darauf ist er nördlich in den Pontos Euxeinos gesteuert
und hat hier ausser mehrern Punkten der Südküste die Mündungen
der Hauptflüsse, Tyras, Borysthenes, Hypanis, wo hellenische Colonien
lagen, besucht, um über die weitverzweigten Völkerschaften der
Skythen von Augenzeugen Nachrichten einzusammeln. Endlich wurde
er noch veranlasst, (westlich) das südliche Italien kennen zu lernen,
indem er im J. 444 Theilnelnner an der von Athen aus gegrün¬
deten Colonie Thurioi (an der Stätte des zerstörten Sybaris) wurde,
woselbst er wohl nicht lange nach 424 (denn so weit etwa reichen
einzelne Andeutungen seines Werkes) sein Leben beschloss.
Herodotos, von dessen bedeutender Persönlichkeit die Freund¬
schaftsverhältnisse mit einem Perikies und Sophokles Zeugniss geben,
durfte schon im Leben den Beifall von ganz Griechenland ver¬
nehmen, als er — wahrscheinlich der erste Prosaiker — Abschnitte
aus seinem Werke der olympischen Festversammlung, sowie auch
zu Korinth, Theben und Athen vortrug, und hat mit Recht hei der
gesammten Nachwelt den Ehrennamen des „Vaters der Geschichte“