Der zweite Freischaarenzug.
595
delt, aber auch nicht bälder entlassen, als bis von den betreffenden Re¬
gierungen 400,000 Schweizerfranken erlegt waren, ein Strafgeld, das
jedenfalls nicht zu hoch angesetzt war. Die gefangenen Luzerner hin¬
gegen, die an dem Einfalle Theil genommen hatten, blieben in den
Gefängnissen und erwarteten da ihr Nrtheil, denn von Amnestie war
keine Rede und konnte wohl auch vorläufig keine sein, da der Kanton
fortwährend bedroht wurde. Großes Aufsehen erregte der Prozeß des
Dr. Steiger, des Hauptes der luzernischen Radikalen, der auch die
Flüchtliuge zu dem Einfalle gesammelt hatte und im Falle des Gelin¬
gens Diktator von Luzern geworden wäre. Er wurde zum Tode des
Erschießens verurtheilt, die Strafe jedoch in Gefängniß verwandelt und
mit Karl Albert von Sardinien ein Vertrag geschlossen, damit er den
Freischaarenhäuptling in sichern Gewahrsam nehme. Vorher jedoch wurde
Dr. Steiger von drei luzernischen Gensdarmen gegen eine hübsche Geld¬
summe, die hauptsächlich von Züricher Privaten zusammengelegt war,
aus dem Thurme befreit, und in Winterthur, wo er sich als praktischer
Arzt niederließ, mit Enthusiasmus ausgenommen. Nicht nur in der
Schweiz, sondern auch in einem großen Theile Deutschlands wurde die
Befreiung Steigers mit Zubel ausgenommen und selbst von Dichtern
gefeiert, was wenigstens die Lügen aus dem Tagesgespräch verdrängte,
welche über Steigers unterirdisches Gefängniß, seine Kettenlast, seine
Behandlung durch den Verhörrichter Amman u. s. w. in Umlauf gesetzt
worden waren. Von dieser Theilnahme an dem Schicksale eines politi¬
schen Parteiführers, der, obwohl demokratischer Republikaner, den Ge¬
setzen seines Landes, dem ausgesprochenen Willen der Mehrheit des
Volkes sich nicht unterwarf, der nicht allein seine Partei zum bewaff¬
neten Aufstande führte, sondern selbst mit fremden Bewaffneten, zum
Theile sehr zweideutigen, sein Heimatland überzog und den Tod in je¬
dem andern Staate nach seiner Gefangennahme erlitten hätte, von dieser
Theilnahme stach die Stimmung grell ab, welche sich in der Schweiz und
Deutschland bei Leus Tode kundgab. Derselbe wurde in der Nacht vom
19/20. Juli, genau einen Monat nach Steigers Flucht, in seinem eigenen
Hause im Bette erschossen. Alsobald wurde verbreitet, die Schatten der
erschlagenen Freischaaren hätten ihm keine Ruhe mehr gelassen und der
bis zum Wahnsinn von seinem Gewissen gefolterte Mann habe sich in
der Verzweiflung selbst getödtet; dieses Ereigniß wurde als ein neuer
Triumph gefeiert und in den unwürdigsten Karrikaturen illustriert in
der Welt verbreitet. Umsonst wurde Leus Charakter, seine unbestrittene
Religiosität entgegen gehalten, selbst als der Verhörrichter Amman durch
eine meisterhafte Procedur in einem lüderlichen Subjekte den Mörder
entdeckt und zum Geständnisse gebracht hatte, sollte dies ein Iesuiten-
kniff sein und nur ungerne gab der vornehme Theil der Radikalen Leus
38*