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Ganzen einnehmend, liegt von einer Seitenwand bis zur andern der
eigentliche Wohnraum des Hausherrn und seiner Angehörigen, die Halle
oder der Saal genannt. Mitten im Saale, an dem steinernen Herde,
aus dem fortwährend das Fener unterhalten wird, steht eine große, statt¬
liche Gestalt mit glänzenden blauen Augen, weißer Hautfarbe und roten
Wangen. Es ist die Frau des Hauses, die Herrin; ihr goldgelbes Haar
fällt lose in langen Locken bis über die Hüfte hinunter. Sie ist bekleidet
mit einem leinenen Gewände, das mit bunten Bändern und Purpur-
streifen geziert ist; sie hat die Zieraten von römischen Händlern, die von
Hof zu Hof ziehen, gekauft und einen leibeigenen Knecht dafür in Zahlung
gegeben. Sie schilt eben eine Magd, die das Herdfener fast hat aus¬
gehen lassen. Bald lodert wieder die Flamme auf dem Herde, und der
Ranch erfüllt das Haus. Da dieses feine Fenster hat, so müßte bei ge¬
schlossener Tür der Qualm alles erfüllen, wäre nicht gerade über dem
Herde eine viereckige Oeffnung im Dache angebracht, durch die der
Rauch abzieht und am Tage das freundliche Himmelslicht hereinlugt.
Gegen Schnee und Regen versperrt man es durch ein vorgespanntes
Tierfell, das jedoch dem Ranch noch einen Abzug gewährt.
In der Nähe des Herdes fitzeu an einer gewaltigen Steinplatte
vier Männer. Es find mächtige Gestalten; ihren blitzenden Augen merkt
man es au, daß sie keinen Feind fürchten, und ans ihren gebräunten
Gesichtern erkennt man, daß sie weder Wind noch Wetter scheuen. Sie
sind bekleidet mit einem wollenen Wams, das ziemlich enge anliegt; um
die Schulter haben sie ein Bären- oder Wolfsfell geworfen, das ihnen
als Mantel und Schlafdecke dient nnd am Halse durch einen singer¬
langen Dorn zusammengehalten wird. Sie tragen die Pelze so, daß der
Kopf des Untieres mit den starrenden Zähnen als Mütze dient: hier
grinst uns vom Kopfe des einen der weitaufgesperrte Wolssracheu an,
dort vom Kopfe des andern neigen sich drohend die Hörner des Auer¬
ochsen zu uns hin. An der linken Seite jedes Mannes lehnt der Schild;
er ist mannshoch nnd aus Weidenruten geflochten; an der rechten Seite
steckt der Speer.
Was die Männer treiben, kann man aus deu Würfeln sehen,
welche bald ans der einen, bald aus der andern Faust auf den Tisch
rollen. Sie spielen: aber nicht um Geld, sondern um ihre Pferde und
Rinder, und wenn diese verloren sind, um ihre Knechte und Mägde,
und zuletzt setzen sie selbst ihre eigene Freiheit auf einen Wurf ihrer
Hand. Ein Knecht, von den vier Spielern leicht durch die kurz ver¬
schnittenen Haare zu unterscheiden, hat vollauf zu tun, um die Trink¬
hörner zu füllen.
Das Spiel ist zu Ende; aber die Männer bleiben sitzen, um zu
effen. Eine Magd trägt eine große tönerne Schüssel mit Hafermns anf.
Das Hauptgericht bildeu aber die Keulen eines ungeheuren Bären.
Gestern erst haben ihn die Männer erlegt, nachdem sie über Berg und
Tal seiner Fährte stundenlang nachgezogen waren.
Durch Knechte ist der leckere Braten zubereitet worden; an großen
Holzspießen haben sie am hellen Feuer die großen Stücke hin- uud her-