Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

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den großen Freiheitsbrief (magna Charta) zu geben, in welchem nicht 
nur die Unabhängigkeit Englands, sondern auch das persönliche Recht 
eines jeden Bürgers gesichert wurde. Nur mit Mühe konnte sich Johann's 
Sohn, Heinrich III., der von dem größten Theile der Nation zum 
Könige von England ausgerusen ward, behaupten; als aber auch er, 
französischen Günstlingen hingegeben, das Land durch päpstliche Erpressungen 
bedrücken ließ, ergriffen die Reichsbarone, welche schon im Jahre 1222 
einen Reichsrath bildeten (das obere Parlament), die Zügel der Regierung, 
und der König, der mit seinem Anhänge gegen sie auszog, gerieth in 
Gefangenschaft, aus der ihn sein tapferer Sohn Eduard befreite. Wie 
die Könige von England in ihrer Macht allmählich beschränkt wurden, und 
die Rechte des Volkes sich hoben, so wurden dagegen die Könige von 
Frankreich durch Ausdehnung ihrer Hoheitsrechte über die eroberten Pro¬ 
vinzen stets mächtiger und reicher, so daß die Königsgewalt allmählich den 
Vasallen gegenüber zu einer unbeschränkten wurde. 
II. Kultur - Entwickelung während der 
Kreuzzüge. 
§• 1. Das Mönchsthum. 
Die Weltherrschaft durch die Macht des kaiserlichen Thrones 
oder des päpstlichen Stuhles war bisher der Grundton des ganzen 
Mittelalters gewesen. Die wunderbaren Erscheinungen, welche, aus seiner 
eigenen innersten Tiefe entsprossen und äußerlich Gestalt gewinnend, seinen 
Gang begleiteten, und durch ihren zurückwirkenden Einfluß lenkten, führen 
stets aus den großen Kamps der geistlichen und weltlichen Gewalt zurück, 
aus welchem die Geschichte des Mittelalters sich auferbaut. Dem Mönchs- 
thum steht das Ritter wesen, der geistlichen Scholastik die romantische 
Poesie gegenüber. Die Kreuzzüge waren der Ziel- und Brennpunkt, in 
welchem die beiden Mächte eine Vereinigung fanden, welche Kraft hatte 
die Welt muzugestalten; sie werden deshalb mit vollem Recht die Blüthe 
des Mittelalters genannt. 
Ausgehend von dem merkwürdigen Lande, in welchem das Reich des 
Lebens unmittelbar an das des Todes grenzt, wo die wundersame Oede 
der Sandwüste unter einem stets wolkenlosen Himmel dem, der die Welt 
verschmäht, einen ungestörten Aufenthalt darbietet, aus dem brennenden 
Sande Libhens, von den ägyptischen Einsiedlern und Anachoreten am
	        
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