Full text: [Geschichte des Mittelalters] (Theil 2)

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ungebeugt durch der Gattin und des Sohnes Verlust, allein dem Vater¬ 
lande hold, ausgeharrt bis an sein Ende. Und dies ist eine Herrlichkeit 
des deutschen Volkes vor aller andern im Anbeginne unserer Geschichte." 
II. Die römischen Kaiser. 
8- 1. Augustus Octavianuö und sein Haus. 
Als Brutus nach der unglücklichen Schlacht bei Philippi mit 
seinen Freunden in einer Bergschlncht auf der Flucht ausruhte und den 
Blick zu dem mit Sternen bedeckten Himmel richtete, rief er aus: 
„Zeus, nicht entflieh' dir dieses Unheils Schuldner!" 
Den Antonius erreichte die Strafe des Himmels zuerst; doch auch 
Augustus sollte ihr nicht entgehen. Im Besitze der höchsten Gewalt und 
Herr beinahe der ganzen damals bekannten Welt, war sein häusliches 
Leben friede- und freudelos an der Seite eines Weibes, das, eben so schön 
und geistreich als herz- und lieblos, nur ihrem Stolze und der Begierde 
lebte, sich und einen gemüthsverwandten Sohn zu erheben und groß zu 
machen. Dieses Weib wa^ Livia Drusilla, die Gemahlin des Se¬ 
nators Tiberius Claudius Nero, mit welcher Augustus sich ver¬ 
mählte, nachdem er die edle Scribonia verstoßen hatte. Eine lange 
Reihe von Jahren bereitete sie in ausdauernder heimlicher Tucke ihrem 
Stamme die Herrschaft vor, und ihren listigen Ränken gelang es, den 
Augustus von seiner ganzen Familie zu trennen. Sie brachte zwei Söhne 
in sein Haus, den liebenswürdigen Drusus, den bereits viel Genannten, 
und Tiberius, welcher schon in seiner Jugend ein finsteres, verschlossenes 
Gemüth und die schlechtesten Sitten unter feinem und geschmeidigem Be¬ 
tragen zu verbergen wußte. Der Plan der Livia ging dahin, ihm — 
nach Drusus' Tode — die Nachfolge auf dem Throne zu verschaffen; ein 
Plan, dem nun freilich Julia, die Tochter des Augustus und der 
Scribonia, im Wege stand, die deshalb als Kind schon von der Stief¬ 
mutter, obschon stets unter der Maske der freundlichsten Fürsorge, auf 
das Tätlichste gehaßt wurde. Augustus vermählte seine Tochter Julia 
mit dem jungen Marcellus (dem Sohne seiner Schwester, der jüngeren 
Octavia), welchen er zum Erben seiner Macht bestimmt hatte. Allein 
Marcellus starb plötzlich in seinem 28sten Lebensjahre, seiner herrlichen 
Eigenschaften wegen von dem römischen Volke allgemein beklagt, und von 
Augustus, der ihn wie einen Sohn liebte, wahrhaft väterlich beweint. 
Julia, erst 17 Jahre alt, war nun Erbin des Kaisers. Schön und 
liebenswürdig, vom Volke geehrt und geliebt, besaß sie einen trefflich
	        
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