fullscreen: Lesebuch für die Oberstufe der katholischen Elementarschulen in Elsaß-Lothringen

350 
13. Das Kamel. 
Der Morgen dämmerte über die Wüste; die Karawane schreitet 
im langen Zuge die kahle endlose Ebene hin und fördert ihre Schritte 
nach dem einförmigen Tone der Pfeife. Die Kamele find mit Ballen 
beladen, mit Tüchern bedeckt; auf ihnen sitzen die Mauren mit bunten 
Turbanen und Mänteln, mit Dolch und Säbel, ihren unzertrennlichen 
Gefährten, ausgerüstet. Den Kamelen zur Seite gehen die Sklaven. 
Voran reitet ein brauner, hagerer Araber, der Herr des Zuges. Das 
ganze bunte Gewimmel ist in eine Wolke von Staub gehüllt. — Die 
Sonne steigt empor; die Karawane kehrt sich ihr entgegen und begrüßt 
den Herrn der Schöpfung. Und höher hebt sich die Sonne; ihre 
Glut strahlt herab und wieder von der Erde auf. Die wunden 
Sohlen schmerzen, die Glieder ermatten, brtznnender Durst peinigt jeden. 
Kein Strom zieht die Silberwelle durch frisches Grün; weithin ist 
kein Gesträuch zu erspähen. Auf heißem, schattenlosem Boden schreitet 
die Karawane. Käme im Sturme eine schwarze Wolke, rissen Blitze 
die Schleußen des Himmels auf: es würde Rettung den Schmachtenden 
bringen. Das Gebrüll des Löwen wäre ihnen erwünscht, würde es 
doch ersehntes Land verheißen. Da liegt mitten in der stillen Wüste 
eine Quell, ein lebendig Begrabener, der seine leise Stimme vernehmen 
läßt; das Kamel hat ihn ans der Ferne schon erspürt, und plötzlich 
gewinnt es seine Kräfte wieder, schreitet rasch voran, ihm lustig nach 
der ganze Zug. Da steht es still; aus jedem Auge bricht ein leben¬ 
der Strahl; die matten Glieder durchzuckt ein elektrisches Feuer. Es 
stellt sich die Karawane im Kreise auf; eifrig wird der Boden auf¬ 
gescharrt, und aus des Grabes Tiefe tritt der Quell glänzend an den 
Tag. Alles stürzt hin, sich zu laben an dem unverwüstlichen Lebens¬ 
borne. Die ermatteten Züge werden wieder erfrischt, die Augen heiter; 
der Mut ist gestählt; die Kräfte wachsen. Man lagert sich; die Zelte 
werden aufgeschlagen, die Tiere gefüttert und mit Sorgfalt vom Staube 
gereinigt. Da sind alle Drangsale vergessen; Gespräche erheitern die 
Nacht; Märchen werden erzählt; die leere Wüste ist zu einem Para¬ 
diese geworden. — Und ist die Rast vorüber, sind die Schläuche ge¬ 
füllt, so werden die Zelte abgebrochen, die Ladungen aufgeschnallt; 
lustig ertönt die Pfeife, und die Reise geht dem Ziele zu. Wochen 
weichen vorüber, eine Öde verliert sich wieder in der andern in steter 
Einförmigkeit, heiße Tage wechseln mit kalten Nächten ab. Am Tage
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.