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so barten Beschlüssen, nach welchen er sogar seine eigenen
Brüder hätte ächten müssen, seine Zustimmung zu geben, be¬
schlossen die Jakobiner, dieselbe durch einen Volksaufstand zu
erzwingen. Zu diesem Zwecke theilten sie unter den Pöbel
der berüchtigtsten Vorstädte Piken aus, und am 20. Juni 1792
drang ein Haufen von 40,000 Menschen, unter Anführung
des Bierbrauers S an t er re, mit tobendem Geschrei auf die
Tuilerien los und stürzte die Treppe hinauf, gerade nach des
Königes Zimmer. Die Thüre ward eingeftoßen, und der
Pöbel drang ein. Unerschüttert trat der König, der nur eine
Wache von sechs Grenadieren um sich hatte, den Bösewichtern
entgegen, die von der Majestät seiner Würde wie betroffen
unentschlossen stehen blieben. Aber andere Haufen drangen
nach, überhäuften den König und die Königin mit den hef¬
tigsten Schmähungen und verlangten die Bestätigung der Be¬
schlüsse der Nationalversammlung. Allein der König blieb in
dieser schweren Prüfungstunde unerschüttert und nahm ruhig
ihre Schmähungen hin. Ein Elender warf ihm seine rothe
Jakobinermütze zu; der König nahm sie gelassen hin und setzte
sie sich auf. Ein anderer reichte ihm seine Flasche dar und
gebot ihm, auf das Wohl der Nation zu trinken; auch das
that der König, und da kein Glas zur Hand war, so trank
er aus der Flasche selbst. Mit innerer Erbitterung sahen die
Grenadiere solche Entwürdigung der Majestät des Königes
und waren entschlossen, ihn mit ihrem Blute zu vertheidigen.
„Fürchten Sie nichts, Sire!" sprach ihm einer von diesen zu.
Der König nahm ruhig dessen Hand, legte sie auf seine Brust
und erwiederte: „Urtheile, ob dieses Herz von Furcht bewegt
wird!" Endlich entschloß sich die Nationalversammlung, eine
Gesandtschaft von 25 Mitgliedern nach dem Palaste zu schik-
ken. Ihre Ankunft machte dem Tumult ein Ende. Das
„arme und tugendhafte Volk", wie Robcspierre es mit heuch¬
lerischem Mitleide zu nennen Psiegte, zog sich für dieses Mal
ohne blutbefleckte Piken zurück, nicht wenig erstaunt, daß
es zu weiter nichts sollte berufen gewesen sein. Der Maire