Full text: Die Geschichte des Alterthums (Bd. 1)

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XI. Die Römer. 
3. Rückkehr des Marius nach Rom. Cinna. 87—84. 
Während die Ehre der römischen Waffen im Osten gerettet wurde, 
hatte die Marianische Partei aufs Neue sich erhoben, die Macht an sich 
gerissen, und Sulla war geächtet. Denn Cinna, der von den Demo¬ 
kraten erwählte Consul, den Sulla durch heilige Eidschwüre vergebens 
zu binden sich bemüht, hatte nur gewartet, bis Sulla mit dem Heere 
nach Griechenland abgegangen war, um die Pläne seiner Partei wieder 
aufzunehmen. Das Losungswort war, Gleichheit der Rechte aller Bür¬ 
ger, oder gleichmäßige Vertheilung der neuen Bürger in alle Wahlbe¬ 
zirke, um das Uebergewicht der alten Bürgerschaft zu vernichten. Diesen 
Umtrieben widersetzte sich der andere Consul, Octavius, ein gemäßigter, 
aber in seinen Grundsätzen unerschütterlicher Mann. An der Spitze 
des Senates und der Gutgesinnten erschien er mit Macht auf dem Fo¬ 
rum, das Cinna mit seinem Anhänge besetzt hatte. Dieser ward des 
Bürgerrechtes verlustig erklärt, seines Consulates entsetzt und aus der 
Stadt vertrieben. Er ging nach Campanien und sammelte sich ein 
Heer zum Theil aus den alten Bundesgenossen (den neuen Bürgern), 
die ihn als den Märtyrer ihrer Sache ansahen. Dazu verbreitete sich 
bald die Nachricht, daß der alte Marius aus der Verbannung (auf den 
Trümmern Carthago's und auf der Insel Corcyra) zurückgekehrt und 
in Etrurien gelandet sei. Verstärkt durch Sclaven, denen sie die Frei¬ 
heit schenkten, schlossen beide die Stadt Rom mit vier Heereshaufen 
ein, an deren Spitze Cinna, Marius, Sertorius und Carbo standen. 
Die Zufuhr wurde zuerst oberhalb Rom, dann nach der Eroberung von 
Ostia, wo die Marianer alle Gräuel der Barbarei verübten, auch vom 
Meere her abgeschnitten. Schon war durch Verrath das Ianiculum 
beinahe dem Feinde in die Hände gefallen; der Senat und die Consuln 
verloren Muth und Vertrauen. Die Stimmung des Heeres wurde 
immer bedenklicher, die Hungersnoth und die Pest zerstörten den letzten 
Rest von sittlicher Kraft, der Boden entschwand unter ihren Füßen, 
also beschlossen sie, mit dem Feind zu unterhandeln. Die Capitulatiou 
wurde geschlossen, und Cinna an der Spitze seines Heeres rückte in die 
Stadt. Und nun sah Rom alle Gräuel einer eroberten Stadt. Als 
erstes Opfer fiel der Consul Octavius, dem Cinna und Marius mit 
den heiligsten Eiden Schonung seines Lebens versprochen hatten. Nach 
ihm fielen die Brüder Casus und Lucius Cäsar, Publius Lentulus, der 
alte Crassus mit seinem Sohne und der Redner Antonius, dessen Kopf 
sich Marius als Tafelaufsatz bringen ließ, lauter Männer, welche die 
höchsten Staatswürden bekleidet hatten. Ueberdies wurden alle Freunde 
Sulla's, die nicht entflohen, niedergemacht; endlich Alle, denen Marius 
nicht die Hand zum Gruße reichte. Auch der Consul Merula und der 
alte Catulus, der Amtsgenosse des Marius im Cimbernkriege, entgin¬ 
gen schmachvoller Hinrichtung nur durch freiwilligen Tod. Fünf Tage 
und fünf Nächte hielt das Morden an. Kein Leichnam durfte bestattet 
werden, sondern sie wurden den Vögeln und Hunden zum Fräße hin-
	        
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