Full text: Lehrbuch der Weltgeschichte oder umständlichere Erzählung der merkwürdigen Begebenheiten aus der allgemeinen Weltgeschichte

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worfen, spater der persischen, bis etwa 1VVV n. Chr. muhamedanische 
Völkerschaften ganz Indien eroberten, welches seitdem nicht wieder un¬ 
abhängig geworden ist. 
Aegypten wird von der südlichen Grenze bis zur nördlichen vom 
Nil durchströmt, der in einem engen Thale fließt, das meist nur zwei 
bis drei Meilen breit und gegen Osten von hohen Felsen, im Westen 
von dürren Sandwüsten begrenzt wird. Dieser Strom hat die merk¬ 
würdige Sonderbarkeit, daß er im Winter, wo alle andere Flüsse hohes 
Wasser haben, am niedrigsten fließt, und im Sommer, wo die Hitze 
austrocknet und andere Flüsse seicht werden, nicht bloß hohes Wasser 
hat, sondern sogar austritt und das ganze Nilthal überschwemmt. Diese 
Erscheinung hat einen doppelten Grund; erstens entspringt der Nil 
südlich über Aegypten in den sehr hohen Gebirgen von Abyssinien; 
auf diesen schmilzt der Schnee in den Sommermonaten und giebt da¬ 
durch dem Flusse eine Fülle von Wasser, welche in den Wintermonaten 
fehlt, wo Kalte und Frost diesen Zufluß hindern. Zweitens weht in 
den Sommermonaten im mittelländischen Meere fast unaufhörlich der 
Nordwestwind; dieser steht gerade auf die Mündung deS Nil und hält 
dadurch das Wasser, welches ausströmen will, zurück. So tritt der 
Strom im August über und bleibt an zwei Monate bis in den October 
auf den Feldern stehen. — Diese Überschwemmung ersetzt den in 
Aegypten seltenen Regen, macht es zugleich zu einem der fruchtbarsten 
Länder der Erde und erleichtert gar sehr den Ackerbau. Denn tritt 
der Nil wieder in sein Bette zurück, so läßt er auf dem Lande einen 
fetten Schlamm, der den Boden so trefflich düngt, daß der Mensch 
nur zu säen und zu ärndten braucht. Da nun Aegypten zugleich eine 
warme oder vielmehr heiße Luft hat, so sind zweifache, ja dreifache 
Aerndten von einem und demselben Felde in einem Jahre nicht unge¬ 
wöhnlich. — Diese Wohlthat der Ueberschwemmung schenkt indeß die 
Natur nur dem Nilthale: es hat daher die Kunst der Menschen, die 
sich in Aegypten am frühesten in sinnreichen Erfindungen zeigte, schon 
länger als 1000 Jahre vor Christi Geburt, das ganze Land mit Ka¬ 
nälen durchschnitten, um auch die entfernteren Theile Aegyptens zu be¬ 
wässern. Und wahrscheinlich haben sie schon früh die Wasserschraube 
gekannt, wodurch man Wasser selbst auf Anhöhen hinauf leiten kann. 
Der nördliche Theil Aegyptens wird eine breitere Fläche, durch 
die der Nil sonst mit sieben Armen strömte und das ganze wie eine 
dreieckige Insel umschloß. Dieses Dreieck nennt man wohl mit dem 
Namen eines griechischen Buchstaben, Delta, weil auch dieser wie ein 
Dreieck gestaltet ist J. Dieses ganze Delta, erzählt die Sage, soll vor 
mehreren Jahrtausenden nicht gewesen, sondern erst nach und nach durch 
den Schlamm und Sand, den der Nil mit sich führt, angeschwemmt 
worden sein. Dies ist nicht unwahrscheinlich: wir erfahren es noch 
immer fort, daß Flüsse auf diese Weise ihre Mündungen verschwemmen 
und Land vor sich anspielen. So macht es die Donau, die durch das 
südliche Deutschland, Ungarn und die Türkei ins schwarze Meer sonst 
durch sieben Mündungen ausfloß; jetzt sind kaum noch zwei fahrbar; 
so die Rhone in Frankreich, die bei Lion südwärts in das mittelländische 
Meer strömt; sie hatte sonst eine weite Mündung, jetzt kann fast kein 
Schiff mehr hinein. In der Türkei, etwas oberhalb des Meerbusens
	        
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