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104 i!l. Zeitr. Die neuere Zeit, von der Reformation bis jetzt.
mordet oder als Sklaven fortgeschleppt seyn würden, wenn die Türken
die große Hauptstadt mit Sturm erobert hatten.
Neuer Krieg mit Ludwig XIV. 1688 — 1697. — Kaum
war diese Gefahr vorüber, so sing der franz. König wieder einen
Krieg an. Sein Uebermuth brachte jedoch den größten Theil Euro¬
pas gegen ihn in Waffen: außer Deutschland auch England, Hol¬
land, Spanien und Savoyen. Um gegen so viele Gegner nicht alle
Theile der Granze bewachen zu müssen, gebrauchte Ludwig ein sehr
grausames Mittel. Damit nämlich die feindlichen Heere in einigen
Gegenden keinen Unterhalt fanden, ließ er durch seine Raubhorden
die blühenden deutschen Länder am Oberrhein, die Pfalz mit ihren
Städten: Heidelberg, Manheim, Baden, Rastadt u. s. w. in Ein¬
öden verwandeln, die Städte an allen vier Enden in Brand stecken
und die Einwohner nackt und hülflos in die Fremde treiben. Die
Reichsstädte Speier und Wornis und die ganze umliegende Gegend
hatten dasselbe Schicksal. „Der König will's", war die einzige Ant¬
wort der Anführer, wenn die Unglücklichen mit herzzerreißenden Kla¬
gen um Schonung flehten. Il)r Verzeichnis; enthielt nicht weniger
als 1200 Städte und Dörfer, die alle in Aschenhaufen verwandelt
werden sollten. Mit kälterer, schändlicher Grausamkeit haben nie¬
mals die rohesten Barbaren an ihren Feinden gehandelt; und dieß
war ein König und ein Volk, die sich die gebildetsten und die fein¬
sten in ganz Europa nannten und leider auch von Tausenden unter
uns dafür gehalten wurden! — Diese Grausamkeit half indeß dem
Könige doch nicht zum Ziele. Im zwölften Jahre des Krieges 1697
mußte er, aus Entkräftung seines Landes, zu Ryswick Frieden
machen und mehrere Festungen, die er früher erhalten hatte, heraus¬
geben. Straßburg aber gab er nicht heraus.
Der spanische Erbfolgekrieg. 1701 — 1715. — Eine
Hauptursache, weshalb Ludwig Frieden schloß, war auch die, daß
er einen neuen, wichtigen Krieg voraussah, zu welchem er sich rüsten
wollte. Der alte König von Spanien, Karl II., war dem Tode
nahe, und da er keine Kinder hatte, so machten sich mehrere Seiten¬
verwandte Hoffnung zum spanischen Throne, namentlich die Häuser
Oestreich, Frankreich und Baiern. Der baierische Prinz Joseph
Ferdinand, der eigentlich zum Nachfolger bestimmt war, starb
indeß früher als der König, und als dieser nun 1701 gleichfalls
. starb, ergriffen der Kaiser Leopold und der König Ludwig die Waf¬
fen, jener um seinen Sohn Karl, dieser um seinen Enkel Philipp
von Anjou auf den Thron von Spanien zu heben. Auf Leopolds
Seite waren die Seeftaaten England und Holland, welche die gar
zu große Macht Frankreichs fürchteten, und besonders war der König
von England und zugleich Statthalter der Niederlande, Wilhelm III.
von Oranien, der eifrigste Gegner des stolzen französischen Königs.
Deutschland war leider in sich selbst getheilt; der größte^ Theil der
Fürsten stand zwar auf Oestreichs Seite, allein der Churfürst Maxi¬
milian Emanuel von Baiern und sein Bruder, der Erzbischof von
Köln, hielten es mit Frankreich; denn Ludwig hatte dem Ehur-