Full text: Deutscher Schul-, Haus- und Kinderfreund

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wölbe aus; von dort leitet ein 999 Fuß langer Gang zu einem 
299 Fuß hohen Platz, und nahe am Ende dieses Ganges stürzt ein 
prächtiger Wasserfall von einem 89 Fuß hohen Felsen über Kalk- 
trümmer hin und verschwindet in einem tief ausgehöhlten Bckken. 
Wenn man von dort etwa 399 Fuß weit rükkwärts geht, kommt 
man in einen andern, etwa \ Stunde langen Gang; am Ende des¬ 
selben übersteigt man eine steile Anhöhe von 380 Fuß und erreicht 
ein Gewölbe, dessen freier Raum über 6 Morgen umfasst. Das 
Ende dieses letzten Ganges ist ungefähr 2 Meilen vom Eingänge 
der Höhle und nicht ganz 1 Meile von dem ersten großen Platze 
entfernt, von welchem der fünfte Gang nach einer Strekke von 2799 
Fuß zu einem Gewölbe von 4 Morgen im Umfange leitet. Man 
glaubt, dass der über 32 Meilen weit schiffbare Fluss Green, ein 
Nebenfluss des Ohio, über diese Höhle hinströmt. In allen Gangen 
und Sälen finden sich viele Versteinerungen, Marienglas, Glauber¬ 
salz und Salpeter. Von dem letztcrn werden täglich etwa 599 
Pfund ans Tageslicht gebracht. Die Luft ist in dieser ungeheuer 
großen Höhle allenthalben rein und gesund. 
Ein schrekkliches Schikksal hatten zwei Reisende, welche im 
Sommer 1827 diese Höhle besuchten. Mit einer Laterne und mit 
Lebensmitteln versehen, begaben sie sieb hinein. Sie durchschritten 
die Gange, bewunderten die hohen, kühn gewölbten Säle; oft aber 
hemmten breite, liefe Spalten ihr Fortschreiten, so dass sie gezwun¬ 
gen waren , bedeutende Umwege zu machen, um dieselben zu umge¬ 
hen. Mit vieler Mühe hatten sie diese Abgründe passirt, als ein 
Zufall sie ihrer Laterne beraubte und sie nun von der tiefsten Fin¬ 
sterniss umhüllt waren; so war der zweite Tag ihrer gefährlichen 
Wanderung. Den Einen ergriff die Angst so gewaltig, dass er 
schwindelnd in den Abgrund stürzte, an dessen Rande er sich befand. 
Sein Freund hörte ihn mehrere Sekunden hindurch fallen und den 
Schrei ausstoßen: „Gott, erbarme dich mein!" Ein fernes Getöse 
des Hinfallens und ein dumpfer Todesseufzcr verkündigte dem Freunde, 
dass er nun allein sei, in der schrekklichen Finsterniss des endlosen. 
Irrgangs. Er wagte es, an den Abgrund hinzudringen; er rief 
mit lauter Stimme des Gefallenen Namen; doch nur dem 199fa- 
chen Wiederhall des Gewölbes ertönte der Ruf, und als er verhallt 
war, folgte die tiefe Stille des Grabes. Der Unglükkliche wollte 
sich seinem Freunde nachstürzen, um mit einem Male die Qual 
dieser Einsamkeit zu enden; doch die Liebe zum Leben behielt die 
Oberhand. Er versuchte, auf Handen und Füßen fortkriechend, den 
Rükkweg zu finden; einen ganzen Tag kroch er ohne Unfall fort,
	        
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