141
beläuft sich auf mehr als 2000 Grubenarbeiter und über 1000 beim
Pochwerke beschäftigte Menschen.
Am Montagmorgen um vier Uhr haben die Bergleute Gebet
vor dem Einfahren. Solche Vergmaunsandacht hat etwas tief Er¬
greifendes, diese schwarzen Männer mit den bleichen, ernsten Gesich¬
tern, mit der heiseren, tief gedämpften Stimme singen und beten
zu hören, und wenn dann der Steiger beim flimmernden Gruben¬
lichte den Frühpsalm spricht! Ach, es ist eine gefährliche Fahrt, und
wohl manchmal kehrt der eine oder der andre nicht wieder, oder ein
Bruck begräbt wohl gar eine ganze Schar! Nach der Andacht folgt
das Frühstück, dann Zurichtung zum Einfahren, um sechs Uhr die
Einfahrt selbst. Die Anweisung zum Bohren wird ertheilt; dann
bohrt der Bergmann bis elf Uhr. Wenn der Untersteiger geschlossen
hat, so weist er die erste Nebenschicht an, das heißt, er gibt beliebige
Arbeiten auf, die bis vier Uhr vollendet sein müssen; dann kommt
die zweite Nebenschicht, welche bis sieben Uhr währt. Jetzt wird
zu Tage gefahren, nach zwölfstündiger Arbeit, oft wohl aus einer
Tiefe von tausend Fuß. Die Tage von Dienstag bis Freitag ver¬
laufen auf dieselbe Weise. Am Sonnabend sind Posen (Bussen)
zu machen, die gewöhnlich in Arbeiten außerhalb der Grube beste¬
hen und vielleicht schon niorgens neun Uhr beendigt sind. Für
sämmtliche Arbeiten empfängt der Vollhäuer, das heißt der eine
Familie ernährende Bergmann, etwa zwei Thaler zehn Groschen,
von dem er noch das Büchsengeld für die Knappschaftskasse abtra¬
gen muß.
3. Besondere Beachtung verdienen die großartigen Wasserlei¬
tungen; die bewundernswertheste Anlage ist der tiefe Georgsstollen.
Als" nervlich die zunehmende ungeheure Tiefe der meisten Gruben
die Gefahr und die Macht der Grundwasser immer größer, die He¬
bung der Gewässer durch Pumpwerke immer ruißlicher und kostspie¬
liger und zuletzt ganz unmöglich machte, kam der damalige Berghaupt¬
mann von Reden auf den kühnen Gedanken, einen drei Stunden
langen Stollen mitten durch das Gebirge herauf zu den Gruben
treiben und den Grubenwassern einen natürlichen Abzugskana!
zu verschaffen. 1777 geschah der erste Angriff bei Grund, und 1799
am 5. September verkündete Kanonendonner, daß das Riesenweri
vollendet sei.
28. St. Andreasberg.
1. Äie Bergstadt St. Andreasberg, offen und ohne Thore wie
ihre sechs Schwestern, liegt auf einer kahlen Bergfläche. In langen
krummen Linien ziehen sich die kleinen, grauen, einförmigen Häuser
in dichtgedrängten Reihen hin; die Schlucht, in welche sich die Stadt
hinabsenkt, versteckt das Rathhaus und die übrigen ansehnlichen Ge¬
bäude der Stadt, welche aus einem üppigen grünen Wiesenteppich
aufzusteigen scheint. Aber diese Wiesenpracht ist das Werk mensch¬
liches Fleißes; seiner trefflichen Rinderherden willen pflegt sie der
unermüdliche Harzer bis zu dieser kräftigen Ergiebigkeit. Auf eine