Full text: Lesebuch für hannoversche Volksschulen

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beläuft sich auf mehr als 2000 Grubenarbeiter und über 1000 beim 
Pochwerke beschäftigte Menschen. 
Am Montagmorgen um vier Uhr haben die Bergleute Gebet 
vor dem Einfahren. Solche Vergmaunsandacht hat etwas tief Er¬ 
greifendes, diese schwarzen Männer mit den bleichen, ernsten Gesich¬ 
tern, mit der heiseren, tief gedämpften Stimme singen und beten 
zu hören, und wenn dann der Steiger beim flimmernden Gruben¬ 
lichte den Frühpsalm spricht! Ach, es ist eine gefährliche Fahrt, und 
wohl manchmal kehrt der eine oder der andre nicht wieder, oder ein 
Bruck begräbt wohl gar eine ganze Schar! Nach der Andacht folgt 
das Frühstück, dann Zurichtung zum Einfahren, um sechs Uhr die 
Einfahrt selbst. Die Anweisung zum Bohren wird ertheilt; dann 
bohrt der Bergmann bis elf Uhr. Wenn der Untersteiger geschlossen 
hat, so weist er die erste Nebenschicht an, das heißt, er gibt beliebige 
Arbeiten auf, die bis vier Uhr vollendet sein müssen; dann kommt 
die zweite Nebenschicht, welche bis sieben Uhr währt. Jetzt wird 
zu Tage gefahren, nach zwölfstündiger Arbeit, oft wohl aus einer 
Tiefe von tausend Fuß. Die Tage von Dienstag bis Freitag ver¬ 
laufen auf dieselbe Weise. Am Sonnabend sind Posen (Bussen) 
zu machen, die gewöhnlich in Arbeiten außerhalb der Grube beste¬ 
hen und vielleicht schon niorgens neun Uhr beendigt sind. Für 
sämmtliche Arbeiten empfängt der Vollhäuer, das heißt der eine 
Familie ernährende Bergmann, etwa zwei Thaler zehn Groschen, 
von dem er noch das Büchsengeld für die Knappschaftskasse abtra¬ 
gen muß. 
3. Besondere Beachtung verdienen die großartigen Wasserlei¬ 
tungen; die bewundernswertheste Anlage ist der tiefe Georgsstollen. 
Als" nervlich die zunehmende ungeheure Tiefe der meisten Gruben 
die Gefahr und die Macht der Grundwasser immer größer, die He¬ 
bung der Gewässer durch Pumpwerke immer ruißlicher und kostspie¬ 
liger und zuletzt ganz unmöglich machte, kam der damalige Berghaupt¬ 
mann von Reden auf den kühnen Gedanken, einen drei Stunden 
langen Stollen mitten durch das Gebirge herauf zu den Gruben 
treiben und den Grubenwassern einen natürlichen Abzugskana! 
zu verschaffen. 1777 geschah der erste Angriff bei Grund, und 1799 
am 5. September verkündete Kanonendonner, daß das Riesenweri 
vollendet sei. 
28. St. Andreasberg. 
1. Äie Bergstadt St. Andreasberg, offen und ohne Thore wie 
ihre sechs Schwestern, liegt auf einer kahlen Bergfläche. In langen 
krummen Linien ziehen sich die kleinen, grauen, einförmigen Häuser 
in dichtgedrängten Reihen hin; die Schlucht, in welche sich die Stadt 
hinabsenkt, versteckt das Rathhaus und die übrigen ansehnlichen Ge¬ 
bäude der Stadt, welche aus einem üppigen grünen Wiesenteppich 
aufzusteigen scheint. Aber diese Wiesenpracht ist das Werk mensch¬ 
liches Fleißes; seiner trefflichen Rinderherden willen pflegt sie der 
unermüdliche Harzer bis zu dieser kräftigen Ergiebigkeit. Auf eine
	        
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