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sandig und nur stellenweise bebaut. Die Marsch ist von Deichen
und schnurgeraden Kanälen durchzogen, ohne Quellen und Flüsse;
die Geest hat Quellen, Bäche und Flüsse.
2. Die weiten Wiesenfluren in der Marsch steht man in der
Nähe und Feme mit Herden weidender Rinder bedeckt; von den
entlegenen Weiden schimmern die bunten Rücken der Kühe und
Ochsen noch wie Wiesenblümchen herüber. Wie die Viehherden, so
erblickt man auch die Wohnungen der Leute weit und breit zerstreut.
Sie liegen auf oft künstlich errichteten Hügeln von 10 bis 12 Fuß
Höhe, die Wurten, auch Warfen, Warten, Worthen genannt werden,
und die den Bewohnern und allen ihren Habseligkeitcn als Zufluchts¬
orte bei großen Überschwemmungen dienen. Wie Burgen ragen diese
Hügelwohnungen aus dem Grasmeere hervor. Auf diese Wurten wird
alles mit hinaufgezogen, was die Feuchtigkeit der Wiesengründe
nicht verträgt, namentlich der Gemüsegarten. An ihren Abhängen
werden Kohl und Rüben gebaut; im Sommer sind sie von dem
in Blüte stehenden Senfsamen gelb gefärbt. Auch steht hier und
da ein Baum auf dem Gipfel des Hügels neben dem Hause. Sonst
ist in der Marsch nirgend ein Busch oder Baum zu erblicken.
3. Überall ziehen sich Deiche an der Küste hin, welche das
Land gegen die Meeresfluten schützen. Sie haben an manchen
Stellen unten eine Breite von 160 Fuß und eine Höhe von 30 Fuß
und sind mit Sihlen versehen. Die Sihle sind Löcher, durch welche
das Wasser aus dem Lande zum Meere abfließt. Sie sind mit
Thüren verschlossen, welche bei der Ebbe sich von selber aufthun,
bei der Flut aber von dem anschwellenden Meerwasser wieder ge¬
schlossen werden. Weil die Deiche erhaben und daher trockener sind
als das tiefliegende Land, so fährt man gern auf ihrem Rücken
hin, und daher bilden sich auf ihnen Wege; doch erlaubt man nicht
überall, auf den Deichen zu fahren, weil die Wagen ihnen schaden.
Um alle Marschwiesen und Marschücker sind tiefe Gräben ge¬
zogen, urn das Wasser aufzunehmen und abzuführen. Im Sommer
sino sie zmn Theil trocken und voll Vieh, das darin grast.
4. Auf der Grenze zwischen dem Meere und dem Festlande
liegen größere und kleinere Sandbänke, welche Watten genannt
werden. Sind sie ganz öde und kahl, so heißen sie rohe Watten.
Andre sind mit solchen Pflanzen bewachsen, welche es vertragen
können, zweimal täglich vom Meer bespült zu werden. Solche
Pflanzen nennt man Queller. Wo Salzwasser seltener erscheint,
wächst schon schilfartiges Gras. Da endlich, wo größere Striche
der Watten so hoch mit Schlickgrund bedeckt sind, daß sie vor den
meisten Fluten geschützt daliegen, entstehen schöne, große Wiesen,
und diese Wiesen benutzt der Mensch dann zur Viehhütung, wie
auf dem Festlande. Es gibt deren, die sich 2 bis 3 Stunden weit
über die Watten hin erstrecken; andre aber sind ganz klein und
liegen zur Ebbezeit wie grüne Teppiche auf den Watten, während
sie bei der Flutzeit wie grüne Inseln im Wasser zu schwimmen
scheinen. Liegen sie weit draußen im Watt, so wird dort das Gras