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morgen sein wird, weiß niemand." — „Johannes, Johannes, drin
und'draußen ist die Sache des Herrn, und Wiehes diesen Abend
sein wird, weißt du nicht; aber das weißt du, daß ich deine Gro߬
mutter bin, und dich um Gottes willen anhalte: laß heute dein Korn
draußen. Ich will, wenn du es sonst nicht machen kannst, ein
ganzes Jahr kein Brot mehr essen." — „Mutter," sagte darauf der
Johannes, „deswegen sollt ihr nicht desto weniger Brot haben; aber
eine Zeit ist nicht alle Zeit; es gibt alle Jahre neue Bräuche, und
seine Sache sucht man alle Labe besser zu machen." — „Aber, Jo¬
hannes," sagte die Mutter, „die Gebote bleiben die alten, und kein
Pünktlein wird davon vergehen; und hast du dein Korn unter dem
Dache, was hilft es dir, wenn du Schaden leidest an deiner Seele!"
— „Um die kümmert euch nicht, Mutter", sagte Johannes; „und jetzt,
Buben, auf und gebunden, was das Zeug hält; die Zeit wartet
nicht!" —„Johannes, Johannes!" rief die Mutter; aber Johannes
hörte nicht, und während die Mutter betete und weinte, führte Jo¬
hannes Garben ein, Fuder um Fuder; mit Flügeln schienen Menschen
und Thiere versehen. Tausend Garben waren unter Dach, als die
ersten Regentropfen sielen; schwer, als wären es Pfundsteine, fielen sie
auf die dürren Schindeln.
„Jetzt, Mutter," sagte Johannes, in die Stube tretend mit seinen
Leuten, „jetzt ists unter Dach, Mutter, und alles ist gut gegangen;
mag es jetzt stürmen, wie es will, und morgen schönes oder böses
Wetter sein; ich Habs unter meinem Dach." — „Johannes, aber über
deinem Dach ist des Herrn Dach", sagte die Mutter feierlich; und als
sie das sagte, ward es hell in der Stube, daß man die Fliegen sah an
der Wand, und ein Donner schmetterte über dem Hause, als ob das¬
selbe mit einem Streiche in Millionen Splitter zerschlagen würde.
„Herr Gott, es hat eingeschlagen!" rief der erste, der reden konnte;
alles stürzte zur Thür hinaus.
Das Haus stand in vollen Flammen; aus dem Dache heraus
brannten bereits die eingeführten Garben. Wie stürzte alles durch
einander! Die alte Mutter allein behielt klare Besinnung; sie griff
nach ihren beiden Krücken, sonst nach nichts, suchte die Thür und einen
sichern Platz und betete: „Was hülfs dem Menschen, wenn er die
ganze Welt gewänne und nähme doch Schaden an seiner Seele! Dein
und nicht mein Wille geschehe, o Vater!"
Das Haus brannte ab bis auf den Boden; gerettet wurde nichts
Auf der Brandstätte stand der Bauer und sprach: „Ich Habs unter
meinem Dache! Aber über deinem Dache ist des Herrn Dach, hat die
Mutter gesagt." Und seit dieser Stunde spricht er nichts mehr, als:
„^zch Habs unter meinem Dache! Aber über deinem Dache ist des
Herrn Dach, hat die Mutter gesagt."
19. Die drei großen Feste der Christenheit.
1. O du fröhliche,
O du selige.
Gnadenbringende Weihnachtszeit!
Welt ging verloren,
Christ ist geboren.
Freue, freue dich, o Christenheit!