Full text: Lesebuch für hannoversche Volksschulen

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Der König, welchem die Antwort sehr wohl gefiel, sagte: „Brav, 
Alter, nun will ich dir auch etwas zu rathen geben. Hast du mich 
schon einmal gesehen?" „Niemals," sagte der Bauer. „Ehe fünf 
Minuten vergehen, sollst du mich funfzigmal sehen und alle sunfzig 
meinesgleichen in der Tasche heimtragen." „Das ist ein Räthsel," 
sagte der Bauer, „das kann ich nicht lösen." „Nun, so will ichs 
thun," erwiderte der König, griff in die Tasche und zählte ihm sunfzig 
nagelneue Goldstücke in die Hand, auf deren jedem sein Bildniß ge¬ 
prägt war, und sagte zu dein erstaunten Bauern, der nicht wußte, wie 
ihm geschah: „Die Münze ist gut, denn sie kommt dir von unserm 
Herrgott, und ich bin sein Zahlmeister." 
Liebe hat ein gut Gedächtniß. Undank ist der Welt Lohn. 
61. Geschwisterliebe. 
Eine sehr reiche Ernte sollte vor Jahren bei Halberstadt ein¬ 
gebracht werden; aber es fehlte an hinreichenden Arbeitern. Des¬ 
halb zogen aus der Nachbarschaft viele Landleute, als ihre eigene 
geringe Ernte vorbei war, dahin, um sich etwas zu verdienen. So 
kamen zu dem Herrn eines Dorfes zwei kräftige Burschen, boten ihre 
Dienste auf vier Wochen an und verlangten dafür fünfzehn Thaler. 
„Warum denn gerade fünfzehn Thaler?" fragte jener Herr; „hier 
zu Lande giebt man nicht so viel. Und überdies werdet ihr ja doch 
wohl auch die freie Kost noch haben wollen?" „Ja!" antworteten 
die Burschen; „allein wir brauchen geradesoviel, wollen aber dafür 
treu und tüchtig arbeiten! Unser Bruder, welcher ein Handwerker 
ist, möchte gern Meister werden und braucht dazu fünfzehn Thaler. 
Unsere Ernte war so schlecht, daß unser Vater selbst um Tagelohu 
arbeiten muß; darum wollen wir unserm Bruder die fünfzehn Thaler 
verdienen!" „Nun, ich werde sehen, wie ihr arbeitet, und hiernach 
werde ich den Lohn bestimmen!" sprach der Herr, und die Bauerburschen 
waren damit zufrieden. 
Des Morgens waren sie nun die ersten und des Abends die 
letzten auf dem Felde. Kamen fie nach Haus zurück, so verrichteten fie 
auch wohl, wenn andere schon schliefen, noch allerlei nöthige Arbeit 
im Hofe. Als nun die vier Wochen zu Ende waren, ließ sie jener 
Herr rufen, zählte ihnen fünfzehn Thaler hin und sprach: „Hier ist 
das verlangte Geld für euern Bruder! Und hier" — er legte ein 
Zehnthalerstück bei — „habt ihr noch etwas für euern alten Vater! 
Sagt ihm, daß ich ihm Glück wünsche zu so wackerm Söhnen, und 
daß er immer zu mir kommen möge, wenn ich ihm mit irgend etwas 
dienen könne!" 
62. Von den mancherlei Ständen. 
können nicht alle Fürsten, Grafen, Prediger, Edelleute 
Bürger, Männer, Frauen, Herren, Knechte sein; sondern es müssen 
mancherlei Stände untereinander gehen, und ein jeglicher hat genug 
zu thun in seinem Stande. Alle sollen und können wir nicht oben 
oder unten sitzen. Und muß der Unterschied sein, von Gott also
	        
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