Full text: Lesebuch für hannoversche Volksschulen

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kräftig, so strahlend vor Glück, daß ich nicht weiß, was ich 
mehr bewundern soll, ob seine blühende Jugend oder seine 
Kraft oder sein Glück. Man muß ihn gern haben, den glän¬ 
zenden Mann.“ Man mußte ihn ebenso gern haben, wenn man 
ihn im einfachen grauen Jagdrock, den Stulphut auf dem 
Kopf, mit Steigeisen, Armbrust und Jägerhorn versehen, die 
höchsten Gebirge und Felsschluchten Tirols durchwandern 
sah oder ihn ein trauliches Gespräch mit einem vorübergehen¬ 
den Bauer anknüpfen hörte oder wenn er bei geselligen Ver¬ 
gnügungen, etwa in Frankfurt oder Ulm, in launiger Rede mit 
den Bürgern oder Bürgerstöchtern scherzte und es den Pa¬ 
trizierfrauen nicht verübelte, daß sie, die von seiner baldigen 
Abreise gehört, ihm Stiefel und Sporen versteckten, damit er 
noch einen Tag länger bleibe und auch den morgigen Tanz mit 
der Königin des Festes eröffne. 
Maximilian war in seinem ganzen Wesen und Tun das 
gerade Widerspiel seines trägen und unschlüssigen Vaters. 
Während Friedrich III. am liebsten stets in den breiten Geleisen 
des privilegierten Herkommens fortging und aus Scheu vor Ver¬ 
antwortlichkeit jede durchgreifende Maßregel vermied, fühlte 
Maximilian den lebendigen Trieb in sich, für eine neue, jugend¬ 
liche Zeit Kraft und Leben einzusetzen, alle geistig Hochstre¬ 
benden zu ermuntern und zu fördern, alles gute und bewährte 
Alte zu ehren, zu erhalten und neu zu befestigen, dagegen alles 
wirklich Veraltete zu entfernen. Seine Wißbegierde war un¬ 
begrenzt und er lernte ebenso leicht Geschütze gießen und 
bohren und Harnische anfertigen, als er das Studium der Ge¬ 
schichte, Mathematik und Sprachkunde betrieb. Wie als der 
waffenfähigste, so galt er auch als der sprachengewandteste 
Fürst der Christenheit; denn außer dem Deutschen und Flä¬ 
mischen sprach er geläufig Latein, Französisch, Wallonisch und 
Italienisch und eignete sich auch die Kenntnis des Englischen 
und Spanischen an. Sein lebhafter, feuriger und unternehmen¬ 
der Geist, den er von seiner südländischen Mutter, einer portu¬ 
giesischen Prinzessin, geerbt hatte, war in beständiger Tätig¬ 
keit und er war frühzeitig durch eine reiche Schule des Lebens 
gegangen und hatte die Menschen beobachtet und die Wechsel¬ 
fälle der menschlichen Dinge kennen gelernt. „Die Not des 
Volkes begreift nur,“ sagte er einst zu einem Herzog von Sach¬ 
sen, „wer selbst Not gelitten.“ Dabei mochte er sich daran er¬ 
innern, wie er als Knabe, zur Zeit der Belagerung und Be¬ 
schießung der kaiserlichen Burg durch die Wiener, in den Erd¬ 
geschossen des Schlosses umhergeirrt war und unter Tränen 
von der Dienerschaft ein Stückchen Brot sich erbettelt hatte.
	        
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