der allgemeinen W eltgeschichle. 155 
wolltest du denn lieber, ich stürbe schuldig? Er trank, 70 
Jahr alt, den Giftbecher und starb, nachdem er stch mit sei¬ 
nen Schülern noch oft über die Unsterblichkeit der Seele un¬ 
terhalten hatte, daß nicht der Leichnam, sondern der Geist, 
der in die Wohnungen der Seligen gehe, der eigentliche So¬ 
krates sei. Die Athenienser bereueten ihre Ungerechtigkeit zu 
spät. Seine Schüler, die auch wieder Schulen stifteten, 
haben seine Lehren aufgezeichnet. 
Merkwürdige Philosophen waren die Stoiker, die aller¬ 
dings eine erhabene Tugend lehrten, daß man das Gute um 
des Guten willen thun müsse, aber Uebermenschliches, Unem¬ 
pfindlichkeit gegen Uebel und Schmerz dabei verlangten;' fer¬ 
ner die entgegengesetzten Epiktiräer; sie verwarfen zwar das 
Laster, aber nicht, weil es an sich unrecht und schändlich ist, 
sondern nur weil es schade; die Tilgend empfahlen sie blos, 
weil man sich dabei besser befinde, während wir lehren, daß Gott 
sie uns zur unbedingten Pflicht macht, auch wenn wir um 
des Guten willen leiden und sterben müssen. Die Cyniker, 
wozu ein Philosoph Diogenes gehörte, der in einer Tonne 
gewohnt haben soll und mit einer Laterne am Tage Menschen 
suchte, trieben die Enthaltsamkeit bis zur Unsauberkeit, trügen 
auch wol Lumpenkleider und Bettclsäcke. Doch waren es oft 
nur einzelne Schüler, die als Sonderlinge ihrer Meister Leh¬ 
ren bis zur Abgeschmacktheit, oft aus Eitelkeit, übertrieben 
und verdrehten. 
Wie die biblische Geschichte in einem David und Jona¬ 
than, so hat die griechische in Dämon und Phintias, Orestes 
und Pylades Freundschaftspaare, treu auch in Todesgefahr. 
Die Griechen hatten auch Orakel, oder Aussprüche der 
Götter durch ihre Priester, die bei wichtigen Unternehmungen 
oder bedenklichen Zuständen um Rath befragt wurden. Die 
Orakel genossen lange Zeit großes Zutrauen; 381 Jahre n. 
Chr. schloß sie Kaiser Theodosius. Das berühmteste war das 
des Apollo in der kleinen Stadt Delphi, wo er einen 
Tempel mit einer Höhle hatte. Auf dieser saß die Priesterin 
Pythia auf einem Dreifuß, empfing die Sprüche aus der 
Tiefe und theilte sie begeistert mit. Die Antworten richteten 
stch mit Klugheit nach den erkundschafteten Umständen, waren 
zuweilen dunkel und unbestimmt, auch wol widersprechend; 
auch waren wol nicht selten die Priester bestochen, um Etwas 
zu hindern oder zu fördern.
	        
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