Full text: Lehrbuch der allgemeinen Geschichte für die unteren und mittleren Klassen höherer Unterrichtsanstalten (Cursus 1)

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konnte nur langsam die schreckliche Rohheit des Volkes wie der Herr¬ 
scher überwinden; Rußland ward nicht selten durch innere Unruhen 
zerrüttet und Fremden, wie Mongolen und Polen, unterworfen 
Erft seit das Haus Romanow (1613) von den Russen auf den 
Thron erhoben worden war, begann eine bessere Zeit für Rußland. 
Der dritte Zaar aus diesem Hause ist 
Peter 1. oder der Große (1682—1725), einer der ausge¬ 
zeichnetsten Männer der Geschichte. Denn er setzte sich das schöne Ziel, das 
noch halb-barbarische Rußland zu einem civilisirten europäischen Staate 
heranzubilden, und verfolgte es mit der bewunderungswürdigsten Kraft 
des Willens, und der ausdauerndsten Beharrlichkeit. Anfangs hatte 
Peter viel gegen die Ränke seiner herrschsüchtigen Schwester So¬ 
phia zu kämpfen; denn diese wollte ihn mit Hilfe der Strelizen, 
einer Art Leibwache, die großen Einfluß übte, von der Regierung 
verdrängen. Peter aber vereitelte alle ihre Versuche und schickte sie 
endlich in ein Kloster (1689). Nun begann Peter, von dem edlen 
Grafen L efor t, der dem jungen Zaar eine brennende Begierde nach 
dem Bessern beigebracht hatte, geleitet und von Menzikof, den er 
seiner Talente wegen vom Pastetenbäckerjungen zum Fürsten erhob, 
unterstützt, seine Reformen in allen Zweigen des Staatslebens. Überall 
suchte Peter mit dem guten Beispiele voranzugehen; so trat er selbst 
als Gemeiner unter das Militär, das er nach europäischer Art ein¬ 
richtete und diente auf der Flotte, und wollte immer nur nach Ver¬ 
dienst in den Chargen voranschreiten. Da die in Rußland wenig 
gebildete Geistlichkeit und der noch rohere Adel dem Zaar in seinen 
Verbesserungen vorzüglich entgegen waren, so suchte er diese beiden 
einflußreichen Stände zu beschränken. Er hob das Patriarchat 
auf und übertrug die Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten einer 
Synode. Den Geburtsadel beschränkte er dadurch, daß er einen 
Verdienstadel einführte, indem der Rang eines Dssiziers adelte; ein 
Edelmann aber, der nichts gelernt hatte, war ohne Rang und 
Achtung. 
Um alles Nützliche und Gute, wodurch die gesitteten Staaten 
Europa's blühten, selbst kennen zu lernen, gab der wißbegierige Pe¬ 
ter ein seltenes Beispiel von Selbstverläugnung. Er übergab die 
Verwaltung des Reiches drei Männern und machte ohne alle Pracht, 
ganz wie ein Privatmann, eine Reise nach Teutschland, Holland und 
England (1697). In dem holländischen Dorfe Sardam, in der 
Nähe vonAmfterdam, arbeitete er eine Zeitlang als gemeiner Zim¬ 
mermann, um den Schiffbau kennen zu lernen. Ein neuer Aufstand 
der Strelizen rief Peter nach Moskau zurück (1678); er strafte 
die Empörer, und hob das Corps auf. Er unternahm in der Folge 
noch zwei Reisen in's Ausland zu seiner Belehrung, und brachte 
Handwerker aller Art, Künstler und Gelehrte mit sich nach Rußland 
zurück. Vor Allem suchte Peter Schifffahrt und Handel empor zu 
bringen, weil er wohl einsah, daß diese vorzügliche Mittel seien, die
	        
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