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28. Der Frühling. (Schilderung.)
28. Wenn der schöne Frühling kommt, dann schmilzt der Schnee,
und die harte Eisdecke der Flüsse zerspringt. Oesters werden dann
die Gewässer sehr groß und treten über die User weit in das Land
hinaus. Aber wenn das vorüber ist, dann bringt der Frühling nur
Liebes und Gutes. Das bescheidne Veilchen erfreut uns mit seinem
süßen Dufte, die Lerche jubelt wieder ihr fröhliches Lied, und alle
Wiesen schmücken sich mit neuem Grün. Bald prangen die Bäume
in weißem Blüthenschmucke und ein zahlloses Heer von Bienen, Kä¬
fern und andern Insekten findet in den Blüthenkelchen seinen gedeckten
Tisch. Mit jedem Tage entdeckt das Auge neue Schönheiten: bald
eine Blume, bald einen bunten Schmetterling. Die Saatfelder pran¬
gen in frischen!, erquicklichem Grün, und über alle die Herrlichkeiten
ist ein heiterer, blauer Himmel ausgespannt. — Wen lockt es nun
nicht ins Freie? Vor allen ist jetzt die Jugend am liebsten draußen
in Gottes schöner Welt. Da vergnügt sie sich mit munteren Sviclen,
zu denen die grünen Wiesen freundlich einladen. Der Landmann
geht ftüh ins Feld, um dort zu arbeiten, und kehrt oft erst am Abend
ermüdet, aber frohen Sinnes nach Hause zurück. So wollen wir
uns denn alle des wiederkehrenden Frühlings freuen, der uns ein
neuer Beweis der Güte unseres Schöpfers ist, und wollen Gott dan¬
ken für alle Freuden, mit denen er uns abermals beglückte.
Der Frühling schenkt Wonne und Leben
Der wiedererwachten Natur;
Es grünen die Bäume, die Reben,
Die Saaten, die Wiesen, die Flur. L. Kellner.
29. Der Sommer. (Schilderung.)
28. Der liebliche Frühling weicht dem Sommer mit seinen
heißen Tagen. Die Sonne glänzt an dem heitern Himmelsgewölbe
und gießt ihre Wärme auf die fruchtreiche Erde aus. Die duftenden
Blumen, das saftreiche Gemüse, das reifende Obst, die wogenden
Saaten schmachten nach Regen. Da trübt sich der Himmel, es thür¬
men sich Gewitterwolken auf, die Blitze zucken, der Donner rollt, der
wohlthätige Regen strömt nieder und tränkt die Erde mit ihren Blu¬
men, Kräutern und Bäumen. Ein neuer Lebensstrom ergießt sich
über die Schöpfung. Die Blumen erheben nun wieder ihr Haupt
und wenden ihre glänzenden Augen dem Sonnenlichte zu, das sich
neue Bahnen durch den Wolkenschleier bricht. Die Sommerfrüchte
beginnen zu reifen. Die Kirschen röthen sich und lächeln uns aus
dem noch frischen Grün der Bäume lieblich entgegen. Lim niedern
Gesträuche reift die Stachel- und Johannisbeere, die der Knabe ohne
Gefahr pflücken kann. Die Aehren schwellen, das Korn und der