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hereinstolpernd: „Der Herr Pathe läßt Vater und Mutter
recht schön grüßen, und ich soll bald wieder kommen."
Noch an dem nämlichen Abende wechselten die Nachbars¬
leute einige freundliche Worte über die Gasse, am folgenden
saßen die weiße und die gelbe Schürze wieder auf der Bank
beisammen, am dritten zeigten die Frauen einander die Lein¬
wand , zu der sie in den bösen drei Jahren oft den Faden mit
ihren Thränen genetzt hatten.
Und es war hohe Zeit, daß der Friedensbote gekommen
war; denn nach einigen Wochen verfiel der Bäcker in einen
Nervenfieberschlaf und aus diesem nach wenigen lichten Augen¬
blicken in den Todesschlummer. Gott gebe ihm eine fröhliche
Auferstehung!
84. Meine Freuden.
Wolltihr meine Freuden hören?
Ruft ein Mädchen aus voll Luft:
Nun, ich will sie gern euch lehren.
Hegt sie auch in reiner Brust!
Meine Freuden sind die Blüthen
Und die Blumen, groß und klein.
Die deö Himmels Lust und Frieden
Durch die weite Schöpfung streu'«.
Meine Freuden sind die Thiere,
Schäfchen, Biene, Schmetterling;
Denn in Gottes Luftreviere
Ist mir keines zu gering.
Meine Freuden sind die Spiele
Mit Geschwistern lieb und hold;
In des Abends heit'rer Kühle
Sind sie theurer mir, als Gold.
Meine Freude ist die Liebe,
Die das Herz den Eltern weiht;
Des Gehorsams fromme Triebe
Und die reine Dankbarkeit.
Meine Freude ist zu lernen.
Was die Tugend mir gebeut;
Wer von ihr sich will entfernen.
Flieht des Lebens Seligkeit.
Meine Freude ist zu nützen
Jeden flücht'gen Augenblick;
Fleiß und Tugend nur kann schützen
Bor dem widrigen Geschick.
Meine Freuden sind die Sterne:
Stille lächeln sie herab
Aus dem Vaterland, das ferne
Uns der gute Vater gab.
Meine Freuden sind die Engel,
Oft seh' ich sie.ja im Traum;
Doch ich selbst bin noch voll Mängel,
Und ihr Bild zerrinntwie Schaum.
Darum soll die Unschuld nimmer
Meinem Herzen fremde sein;
Es vergeht der Erde Schimmer,
Unschuld führt zum Himmel ein.
So bleibt denn des Herren Güte
Droben überm Sternenzelt
Höchste Freude dem Gemüthe,
Bis mir aufgeht jene Welt.