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„Nur keines mehr wie dieses," erwiderte er auf ihren liebenden
Vorwurf. „Weib! Kinder! geht hin, liebkoset das Roß in seinen
letzten Zügen; denn ihm verdankt ihr, daß ihr mich wieder sehet:
über den Burggraben der Nürnberger Feste hat es mich getragen."
Und sie taten, wie er gebot. Mit zarten Händen streichelten
sie das treue Tier und taten ihm wohl und suchten sein fliehendes
Leben zu halten; aber der Sprung war zu gewaltig gewesen
und hatte seine Sehnen zerrissen. Nur bis hierher noch reichte
seine Kraft den Herrn in flüchtigem Laufe zu tragen; jetzt war
sie erschöpft. Noch einmal wieherte das Roß aus tiefer Lunge
auf, noch einmal wandte es den Kopf nach seinem Herrn und
wieder von ihm ab, — dann brach sein Auge im Todeskampfe.
Eppelin von Gailingen ließ an der Stelle, wo das treue Tier
starb, einen Stein errichten.
V. G. Heringen (in Lotters „Nürnberger Sagen").
156. Dei’ überführte Dieb.
Wie klug Kaiser Rudolf als Richter zu verfahren wußte,
zeigt folgende Begebenheit.
In Nürnberg trat ein Kaufmann mit einer Klage gegen
einen Gastwirt vor den Kaiser. „Ich habe dem Wirte,” sagte
er, „einen ledernen Beutel, mit Gold gefüllt, in Verwahrung
gegeben und nun leugnet er frech den Empfang des Goldes
und will es nicht mehr herausgeben.” — Als der Wirt, ein
angesehener Mann in Nürnberg, desselben Tages mit andern
Abgeordneten der Stadt vor dem Kaiser erschien, unterhielt
sich Rudolf, leutselig wie er war, mit einem jeden und auch
den Wirt fragte er nach Namen, Gewerbe und Familie.
Dann wie von ungefähr fuhr er fort: „Sieh, du hast da ja
einen prächtigen neuen Hut, wie ich nie einen besessen; wie
wäAs, wenn wir tauschten? Du erhältst freilich nur einen alten
Hut, aber den Hut des Kaisers und ich bekomme bei dieser
Gelegenheit einen neuen, der mich keinen Heller kostet.”
Natürlich ging der Wirt auf den Tausch, ein und Rudolf
setzte den eingetauschten Hid wohlgefällig auf. Dann ging
er hinaus und sandte einen Bürger zu des Wirtes Frau;
der zeigte ihr den Hit ihres Mannes vor und sprach: „Sehet
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