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Viertes Kap. Allgemeinste Gestalt der Welt. 
Menschheit. Die Weltgeschichte, als eine bescheidenere und strengere 
Wissenschaft (vergl Bd. I. Einl. §. 84.) darf bei ihren Darstellungen sich nicht 
in das gleich der Ideen verlieren, sondern muß sich mit dem positiv ge¬ 
gebenen Zusammenhange der Begebenheiten begnügen. Es ist auch eine 
solche Darstellung — in vorliegendem Falle — lehrreicher, wenigstens prak¬ 
tischer, als die erhabenste Ansicht nach Ideen. Denn, wenn cs ein Ver- 
hängniß oder ein Gcscz der Natur ist, das die Staaten dem Greisenalter 
und der Auflösung entgegen führt; so mögen wir demselben nicht entweichen: 
wird aber das Unheil als Folge des Selbstverschuldens oder auch der 
Verirrung dargestellt, so kaun ein späteres Geschlecht daraus die ein¬ 
dringlichsten Lehren für seine eigenen Einrichtungen und Handlungsweisen 
schöpfen. 
In diesem Sinne besteht der Charakter des vorliegenden Zeitraums darin, 
daß derselbe das imposante Bild einer llniversalmonarchie und ihrer 
Wirkungen im Guten wie im Bösen enthalte. Denn außer Nom kömmt jezt 
fast gar Nichts vor in der Geschichte, und das Schicksal schien alle Umstände 
in Beziehung auf dieses Weltreich absichtlich dahin vorbereitet und angeordnet 
zu haben, daß alle Folgen einer solchen Macht, unter jeder Voraussezung, 
mit überzeugender Klarheit vor uns träten. 
II. Summe der politischen Begebenheiten. 
§. 2. Römisches Weltreich. 
Nachdem die Römer unter der langen Gewalt des aus Klugheit gütigen 
Augustus die Freiheit vergessen, hieraus unter seinen nächsten Nachfolgern 
alle Schmach und Schrecken der Tyrannei ertragen gelernt, endlich in der 
Folge eines Domitian aus einen Titus den auffallendsten Beweis von dem 
schwankenden Loose eines durch unbeschränkte Alleinherrscher regierten Volkes 
erfahren hatten: trug es steh durch eine außerordentliche — in der Geschichte 
aller Länder und aller Zeiten isolirte —• Fügung zu, daß sie fast hundert 
Jahre lang in unabgebrochener Reihe lauter vortreffliche Monarchen erhielten, 
bei deren Weisheit und Güte die unbeschränkte Gewalt ein Glück schien, da 
sie ihrer Tugend freien Wirkungskreis verlieh, und ihnen gleich den Göttern 
zu dem Willen auch die Macht ertheilte, dem ganzen Geschlechte wohlthätig 
zu seyn. Gleichwohl was haben sie mit ihrem unermüdlichen Eifer, mit ihrer
	        
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