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Geschichte der neuen und neuesten Zeit.
hätten, wäre dies auch tausend Jahre her. Hatten seine Rechtsgclehrten einen
solchen Ort in den Acten aufgefunden, so ließ er sogleich die alten Wappen weg¬
reißen und die Lilien aufpflanzen; dabei steckten seine Soldaten wie Mordbrenner
oft ganze Städte und Dörfer in Brand, und während man in Regensburg auf
dem deutschen Reichstage darüber berathschlagte, erscholl auf einmal die Nachricht:
Straß bürg ist französisch. Ludwig hatte die Stadt, als ihre Bürger auf der
Frankfurter Messe waren, überrumpelt. Straßburg, dieser Schlüssel von Ober¬
deutschland, von dem Karl V. noch gesagt hatte, „wenn Wien und Straßburg zu¬
gleich bedroht wären, so würde er unzweifelhaft zur Rettung von Straßburg hin¬
eilen^ — dieses wichtige Straßburg war französisch geworden, mitten im Frieden,
und der verrätherische Bischof, Egon von Fürstenberg, hatte den König Ludwig
mit dem Gruße Simeons bei seinem Einzuge empfangen: „Herr, nun lässest du
deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland ge¬
sehen." — Ludwig stellte sogleich viele Franzosen in Straßburg an und ließ es
dann durch ungeheure Festungswerke uneinnehmbar machen. Er befahl, die deut¬
sche Tracht abzulegen, und namentlich den Frauen, sich streng nach der neuesten,
französischen Mode zu kleiden, um sie von ihren einfachen deutschen Sitten abzu¬
ziehen. Außer jenem Bischof gab es leider der Berräther noch mehrere in Deutsch¬
land, selbst unter Gelehrten und Ministern, die der schlaue Ludwig zu bestechen
wußte. So weit war Deutschland herunter gekommen. Den Ministern ließ er
namhafte Geschenke zugehen und nannte sie Cousins; die Gelehrten, die in ihren
Schriften Frankreich über alles erhoben, begnadigte er mit Pensionen und ließ
ihnen schreiben, wenn er auch nicht das Vergnügen habe, ihr Herr zu sein, so ge¬
winne er und die französische Nation doch von jedem Fortschritt der Wissenschaft,
und er sei deshalb den Förderern derselben immer verpflichtet. Nicht umsonst
schmeichelte Ludwig diesen unpatriotischen Leuten; er wollte sich die römische Kaiser¬
krone verschaffen, und jene thaten das Ihrige redlich dazu, ihn als den ersten
Monarchen, den die Welt habe, darzustellen. Dabei verstand er es, den fran¬
zösischen Hof zum blendenden Mittelpunkt des irdischen Glanzes zu machen. Seine
Lustschlösser mit den großen Marmortreppen und berühmten Spiegelgalerien, seine
Gartenanlagen mit den beschnittenen Alleen und Springbrunnen, seine Hoftrachten,
Hoffeste, Hofgebräuche wurden das Musterbild für Europa, namentlich in Deutsch¬
land. Alle, auch die kleinsten Reichsritterschaften, ahmten ihm rasch und eifrig
nach; jeder schuf sich ein Versailles, ein Palais Ludwig's, wie es die Welt vorher
nicht gesehen. Auch die kurzen Beinkleider mit dem Frack, die Schuhe mit den
seidenen Strümpfen wurden überall eingeführt. Selbst die französischen Perrücken
fanden Eingang, die allenfalls die leichten gewandten Franzosen tragen konnten,
die sich aber auf den Köpfen der ernsten Deutschen gar übel ausnahmen, und doch
zwang die Mode alle Stände, die Perrücken zu nehmen, sogar die Geistlichen; ja,
so weit verirrte man sich, daß man selbst die Bäume in den Gärten perrücken¬
förmig zuschnitt. Aber nicht nur die Sitten wurden französisch, auch die Sprache
ward es. Luther hatte eine so kräftige, schöne deutsche Sprache geschaffen, man
benutzte sie nicht. Um vornehm zu thun, trat man den Franzosen nach, ver¬
schnörkelte und verhunzte mit französischen Brocken die reiche, edle deutsche Sprache,
und der außerordentliche Aufschwung, den Luther ihr gegeben, vermochte sich nicht
Jütting und Vorbrodt, Lesebuch. Z