205
Preußen äußerst bedenklich war, auf die Ankunft des Kronprinzen. Gegen
3 Uhr nachmittags traf er mit seiner Armee ein und brachte durch seinen
stürmischen Flankenangriff den Sieg zur Entscheidung.
Das Bewußtsein, am 3. Juli bei Königgrätz einen Sieg von großer,
weltgeschichtlicher Bedeutung errungen zu haben, erfüllte die Führer wie die
Mannschaften. An einem einzigen Tage war die Hauptwiderstandskraft eines
der größten Staaten gebrochen. Der König, der während der Schlacht mit
eigenen Augen die Bravour der Preußen gesehen hatte, und der, wo er sich
zeigte, mit stürmischem Jubel begrifft wurde, sprach seinen Truppen in einem
Armeebefehl seinen Dank aus: „Der Tag von Königgrätz," sagte er, „hat
große Opfer gekostet; aber er ist ein Ehrentag für die ganze Armee, auf welche
das Vaterland mit Stolz und Bewunderung blickt."
Die gleich nach der Schlacht bei Königgrätz angeknüpften Unterhandlungen
Österreichs über eine Waffenruhe kamen durch französische Vermittelung am
22. Juli zum Abschluß, als gerade ein preußisches Corps im Begriff war,
noch einen Sieg bei Blumenau in der Nähe von Preßburg zu erringen.
Die weiteren Verhandlungen führten endlich am 23. August den Frieden zu
Prag herbei. Österreich trat in demselben seinen Mitbesitz von Schleswig-
Holstein an Preußen ab und schied aus dem deutschen Bunde. Nachdem auch
die anderen deutschen Staaten, gegen welche die Main-Armee glänzende Siege
erfochten hatte, diesem Frieden beigetreten waren, wurde Hannover, Kur¬
hessen, Nassau und Frankfurt a. M. dem preußischen Staate einverleibt.
Im ganzen erhielt Preußen 1866 einen Zuwachs von 1308 Qu.-Meilen mit
4 285 000 E. und erreichte eine Größe von 6400 Qu.-Meilen mit 24 000 000 E.
Das eifrigste Bemühen des Königs war nun darauf gerichtet, an die
Stelle des aufgelösten Bundestages einen neuen kräftigeren Bau für Deutsch¬
lands Macht und Größe zu setzen. Es traten dem Entwürfe Preußens für
Gründung eines norddeutschen Bundes alle Staaten nördlich vom Main,
im ganzen deren 22, bei. An der Spitze desselben stand der Bundesrat,
der aus den Vertretern der Bundesfürsten, und der Reichstag, der aus
Vertretern des Volkes zusammengesetzt war. Für je 100 000 Seelen war
ein Reichstagsabgeordneter zu wählen. Der Reichstag des norddeutschen
Bundes wurde am 24. Febr. 1867 im weißen Saale des königlichen Schlosses
zu Berlin von König Wilhelm eröffnet, und die Verkündigung der Bundes¬
verfassung erfolgte am 24. Juni 1867, nachdem die Landtage aller einzelnen
Staaten ihre Zustimmung zu derselben gegeben hatten. Preußen führte den
Oberbefehl über Heer und Flotte des Bundes, sowie auch — wenigstens für
den Fall eines Krieges — den Oberbefehl über das Heer der süddeutschen
Staaten (Bayern, Württemberg, Baden, Hessen), die übrigens auch durch den
Zollverein an den norddeuffchen Bund geknüpft blieben. Nach verschiedenen.
96. Die entfernten Ursachen des tehten deutsch¬
französischen Krieges.
Frankreich, fast seit einem Jahrhundert das Land der Revolutionen,
krankte an den Schäden eines immer aufs neue unterwühlten Gemeinwesens,
in welchem seit der verbrecherischen Gestaltung seiner großen Revolution voi!
1789 noch keine geordnete Regierung je dauernd hatte festen Grund fassen
können. Napoleon III. hatte durch den Staatsstreich vom 2. Dezember 1851
unter Strömen freventlich vergossenen Blutes die höchste Gewalt in Frankreick